Hashtag Werbung? Gesetzesvorschlag soll Rechtssicherheit für Influencer schaffen

Seite 2: "Wir führen keinen Krieg gegen Influencer"

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Im Fall von Cathy Hummels unterlag der Verband bisher vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht in München. Beide Instanzen hatten die Ansicht von Hummels und ihrem Anwalt Moser geteilt, dass eine Werbekennzeichnung bei den drei abgemahnten Instagram-Posts nicht nötig sei. Denn die Influencerin hatte zwar Marken gezeigt und von ihr getragene Kleidungsstücke mit Tags markiert, aber kein Geld oder Gratisprodukte von den jeweiligen Unternehmen bekommen. Weil es um eine Grundsatzfrage geht, führt die Revision nun vor den BGH. Ann-Kathrin Schmitz hingegen berichtet aus ihrer Erfahrung mit mehreren Unterlassungsforderungen durch den VSW, bei denen das Landgericht Köln bereits drei Mal gegen sie entschieden habe. Auch andere Influencerinnen wie Pamela Reif vor dem OLG Karlsruhe oder Vreni Frost vor dem Berliner Kammergericht unterlagen in ihren Prozessen gegen den Verband.

(Bild: Reifs Instagram-Account)

Der VSW kann als Wettbewerbsverband deshalb abmahnen, weil er Unternehmen zu seinen Mitgliedern zählt, die potenziell mit Influencerinnen und Influencern auf dem Werbemarkt konkurrieren. Dazu zählen unter anderem mehrere Printverlage – doch ob der Verband in deren Sinne oder auf eigene Faust handelt, ist unklar. Trotz der zahlreichen Abmahnungen und Gerichtsverfahren betont VSW-Geschäftsführer Selonke: "Wir führen keinen Krieg gegen Influencer." Man wolle nur eine Irreführung von Kunden verhindern und ungelöste Rechtsfragen im Bereich Social Media klären. Eine übermäßige Kennzeichnung als "Dauerwerbesendung" sei dabei nicht das Ziel. Im Gegensatz zu vielen Angehörigen der Szene sieht Selonke dafür aber bisher noch keine Anzeichen.

Die Urteile zu den Posts, die der VSW für Schleichwerbung hält, drehen sich immer wieder um ähnliche Fragen und kommen dennoch zu gegensätzlichen Ergebnissen. Bei Cathy Hummels gingen beide Gerichte davon aus, dass ihren mehreren Hunderttausend Followern bewusst sei, dass sie mit ihrem Instagram-Profil Geld verdiene. Deshalb müsse sie nur bezahlte Kooperationen kennzeichnen. In anderen Fällen wie dem von Pamela Reif wurde argumentiert, die Influencerin vermische private und geschäftliche Äußerungen. Die beanstandeten Posts seien werblich-kommerziell, weil sie durch "Tap Tags" in erster Linie anderen Unternehmen helfen. Also müssten sie auch ohne Bezahlung gekennzeichnet werden.

Für Hummels‘ Anwalt Moser liegt das Problem oft in der Wahrnehmung der Richterinnen und Richter, die nicht alle ein Verständnis für moderne Medien mitbrächten: "Manche finden Influencer-Marketing fast anstößig, blenden dabei aber aus, dass Influencer eine ähnliche Dienstleistung erbringen wie klassische Printzeitschriften." Er ist sich sicher: Wenn Modezeitschriften redaktionell Produkte vorstellen dürfen, dürfen Influencerinnen und Influencer das auch. Dazu kommt in einigen Urteilen der Vorwurf, es gehe bei Social-Media-Berühmtheiten mehr als in anderen Medien darum, ein vermeintlich naives Publikum verdeckt zu beeinflussen. Diese Sichtweise will Marketing-Professor Kenning nicht teilen: "Auch in der klassischen Werbung verkaufen Prominente das ihnen geschenkte Vertrauen und ihre Bekanntheit. Hier sehe ich keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen einem Influencer und einem klassischen Testimonial in einer Print- oder TV-Werbung." Auf sozialen Netzwerken könne man seine Fans höchstens etwas persönlicher und interaktiver ansprechen.

Mit einem BGH-Urteil zur Werbekennzeichnung ist frühestens im Laufe des kommenden Jahres zu rechnen. Und bis Anfang Dezember können zum Entwurf des Justizministeriums noch Stellungnahmen eingereicht werden. Dass die Gesetzesänderung alle Probleme beseitigt, will Social-Media-Expertin Schmitz jedoch noch nicht glauben: "Wie so eine Regelung in der Praxis funktionieren soll, müsste sich erst zeigen." Denn die Auslegung übernehmen im Zweifel wieder die Gerichte – und zwar nach neuen Abmahnungen.

(bme)