Hattrick für NSA bei Big Brother Awards Austria
Die NSA hat bei der Verleihung des Big Brother Awards Austria drei der sieben Negativpreise abgeräumt. Den Publikumspreis mussten sich die Amerikaner mit dem britischen GCHQ teilen, und auch die österreichische Regierung kam nicht ungeschoren davon.
Die NSA hat Freitagabend bei den Big Brother Awards Austria gleich drei der sieben Negativpreise abgeräumt: Beim Sonderpreis "Lebenslanges Ärgernis" reüssierte die NSA alleine, beim vom Volk zuerkannten Publikumspreis gemeinsam mit dem britischen Geheimdienst GCHQ. Und in der Kategorie "Politik" dachte die Jury den Preis der NSA zusammen mit der untätigen österreichischen Bundesregierung zu: "Die NSA und das Schweigen der Lämmer." Die hat nämlich ein geheimes Abkommen mit der NSA geschlossen und kann sich intern nicht einmal darauf verständigen, wer für die Aufklärung über die Aufklärung zuständig ist, wie man am Beispiel der Wiener NSA-Villa gesehen hat.
Die Big Brother Gala am Vorabend des österreichischen Nationalfeiertages ging im Wiener Rabenhof Theater sowie am Grazer Elevate-Festival über die Bühne. Im Unterschied zum Vorjahr glückte eine stringente Preisverleihung ohne Hänger, sodass auch die Live-Übertragung in mehreren TV-Programmen gerechtfertigt war. Das diesjährige Motto "Yes we scan" erinnert nicht von ungefähr an einen früheren Wahlkampfslogan eines gewissen Friedensnobelpreisträgers.
Wie der Veranstalter Quintessenz ausführte, bekennt sich der US-Präsident offen zu intensiver und umfassenden Spionage, ohne dass europäische Regierungspolitiker damit ein Problem haben. "In ihrer vermeintlichen Kooperation haben die Staaten Europas übersehen, dass nach 9/11 mit der Verabschiedung des Patriot Acts eine Zwei-Klassen-Gesellschaft entstanden ist. Als Europäer werden wir von den USA nicht mehr als gleichrangige Partner, sondern als völlig entrechtete potenzielle Gefahrenquellen gesehen. Schrittweise wurde das Internet und die modernen Technologien so umgebaut, dass Daten nicht mehr geteilt werden, sondern in einem steten Strom in die Rechenzentren der NSA fließen", kritisiert Quintessenz.
Als Stargast trat die isländische Parlamentsabgeordnete Birgitta Jonsdottir (Piratenpartei) auf und nominierte gleich eine große Gruppe für die Big Brother Awards 2014: "Es sollte einen speziellen Preis für Politiker geben, die darüber aufgebracht sind, dass sie von den USA ausspioniert werden, (sich aber nicht darüber aufregen), dass ihr Volk ausspioniert wird." Sie begreift die gegenwärtige Krise als Chance: "Krisen sind die einzigen Zeiten, in denen wir die Gesellschaft verändern können. Aber das Zeitfenster ist sehr winzig", mahnte die Isländerin zur Eile.
Als Reaktion auf die Überwachung habe das isländische Parlament beschlossen, die Meinungs- und Informationsfreiheit zu sichern. Damit würden Informationsdienste wie Wikileaks in Island bald legal operieren können. Jonsdottir wollte aber auch mit einem weit verbreiteten Missverständnis aufräumen: "Wir können Informanten nicht retten. Aber wir können sicherstellen, dass ihre Informationen verfügbar bleiben."
Der Preis in der neu eingeführten Sparte "Weltweiter Datenhunger" ging an Hamadoun Touré, Generalsekretär der International Telecom Union (ITU). Diese Organisation standardisiert die Überwachungstechnologie Deep Packet Inspection unter der Bezeichnung ITU-T Y.2770 "Requirements for deep packet inspection in next generation networks". "Da die Hersteller von Geräten zur Netzwerksteuerung diesen Standard möglichst vollständig in ihren Geräten implementieren werden, können in Hinkunft an allen Stellen eines Netzes die maximalen Funktionen zur detaillierten Datenanalyse auf Knopfdruck aktiviert werden", erklärten die Preisrichter.
Im Bereich "Behörden und Verwaltung" gewann Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP). Die grundsätzlich begrüßenswerte Einführung einer Website für anonyme Hinweise weist einfach zu viele Schwachstellen auf, und wird nicht einmal in Österreich betrieben. Der für "Kommunikation und Marketing"-Irrungen verliehene Award ging diesmal nach Südafrika, nämlich an Mark Shuttleworth. Er sponsert die Linux-Distribution Ubuntu und ist eine fragwürdige Partnerschaft eingegangen. Bei Suchen auf der eigenen Festplatte werden die Suchbegriffe auch an Amazon.com übermittelt, der sich mit Werbung im Dateimanager "bedankt". "Die in der Open-Source-Community geforderte Transparenz bedeutet auf keinen Fall den gläsernen User, dessen Suchabfragen über die Hintertüre ausgewertet und verkauft werden dürfen", schrieben die Österreicher Shuttleworth hinter die Ohren.
Die häufig nominierte Firma Microsoft wurde diesmal im Bereich "Business und Finanzen" prämiert. Anlass ist die neue XBox One, vom deutschen Datenschützer Peter Schaar als Überwachungsgerät eingestuft. "Mit scharfen Blicken und spitzen Ohren wird von der XBox alles und jeder in der Nähe beobachtet, um ja keinen Befehl zu verpassen", führte die Jury aus. "Nach Userprotesten wurden zwar einzelne Überwachungsmaßnahmen zurück gestellt, aber im Hintergrund werden durch Patentanträge die Weichen für die Zukunft gestellt." Dazu gehöre etwa der US-Patentantrag 20120278904. Darin wird beschrieben, wie Objekt-, Gesichts- und Spracherkennung dazu genutzt werden sollen, Lizenzen und Berechtigungen derjenigen Menschen zu kontrollieren, die sich in Hör- und Sichtweite des Geräts befinden.
Zum Abschluss der Gala bedauerte Quintessenz-Obmann Georg Markus Kainz, den Positivpreis "Defensor Libertatis" heuer nicht vergeben zu können. Diese Auszeichnung werde stets persönlich überreicht, doch der auserkorene Freiheitskämpfer habe leider nicht kommen können. Unbestätigten Gerüchten zu Folge soll es sich dabei um den international gesuchten Eduard S. handeln.
[Update 26.10.2013 14:35] Ein Link korrigiert, ein Link ergänzt. (js)