Hausgemachte Probleme mit der deutschen New Economy

Die New Economy, zumindest in Gestalt eines Startups, lud die Politik – und sie kam, um die Schwierigkeiten der Internet-Ökonomie freundlich zu diskutieren.

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Von
  • Richard Sietmann

Die New Economy, zumindest in Gestalt eines Startups, lud die Politik – und sie kam, um die Schwierigkeiten der Internet-Ökonomie freundlich zu diskutieren. Denn kaum gegründet, plagen sie schon die Sorgen. Im letzten Dezember ist youSmile.de angetreten, "den Geschenkekauf zu revolutionieren und zu einem kurzweiligen, freudigen Erlebnis zu machen", wie Gründer Tim Stracke das Geschäftsmodell erklärt. Die Mitarbeiter sind ständig damit beschäftigt, ausgefallene Produkte und Dienstleistungen zu finden, "über die sich Menschen freuen, die schon alles haben" – den Kamelritt im Schwarzwald, Gutscheine fürs Bungee-Jumping oder das Thermalbad beispielsweise. Bei der Geburt von youSmile standen Business Angels Pate – wohlhabende und sachkundige Privatanleger, die sich in jungen Unternehmen engagieren; im zweiten Schritt stiegen Ende Juni RTL New Media sowie die beiden Venture Capital Unternehmen equinet und econa mit 10 Millionen Mark bei der jungen Firma ein.

Diese Erfolgsgeschichte der neuen Ökonomie stößt sich jedoch an den Realitäten der alten. Jetzt hat man Schwierigkeiten, wie Stracke klagt, Beschäftigte mit Aktienoptionen zu bezahlen, da diese Art der erfolgsabhängigen Entlohnung "steuerlich bestraft" werde. "Wir haben gute Leute nicht gewinnen können, weil die Beteiligung noch am selben Tag versteuert werden muss, an dem sie übertragen wird." Weder das Unternehmen noch der potenzielle Mitarbeiter könnten diese Lasten aufbringen.

Feudaler Rahmen

Als Adressaten solcher und anderer Beschwerden hatte youSmile den Internet-Experten der SPD-Bundestagsfraktion und Vorsitzenden des Ausschusses Neue Medien im Deutschen Bundestag, Jörg Tauss, sowie den neuen Internet-Sprecher der CDU, Thomas Heilmann, ins Berliner Adlon geladen, um mit ihnen über den politischen Rahmen des E-Commerce und der New Economy zu diskutieren. Ein richtiges Streitgespräch zwischen SPD und CDU ist es zwar nicht geworden – Tauss und Heilmann sind in ihren jeweiligen Parteien viel zu sehr beschäftigt, die eigenen Truppen auf Vordermann zu bringen und für die mühseligen Detailprobleme der Internet-Ökonomie zu sensibilisieren – aber ein bisschen Werbung für den Web-Neuling brachte der Auftritt der beiden Bundespolitiker allemal.

Stracke nutzte jedenfalls die Gelegenheit, sich auch für die steuerlichen Probleme der youSmile-Paten stark zu machen. Die durften Beteiligungen von unter 10 Prozent an einem erfolgreichen Startup bislang steuerfrei veräußern; "jetzt plant der Finanzminister, die Grenze auf ein Prozent zu senken – damit wird es für einen Business Angel völlig uninteressant, sich an einem jungen Startup zu beteiligen.". Tauss konnte ihn beruhigen. "Die 1-Prozent-Regelung ist vom Tisch", erklärte er; nach dem gegenwärtigen Stand der Beratungen von Eichels Steuerreformplänen in der SPD-Fraktion soll sie durch einen Festbetrag ersetzt werden.

Für ein Unternehmen wie youSmile ist der Mobile Commerce, der Kunden die Möglichkeit bietet, unterwegs noch rasch eine originelle Aufmerksamkeit über das Geschenk-Service-Portal zu ordern, ein Zukunftsmarkt. Aber die Regulierung laufe derzeit auf ein Oligopol der Netzbetreiber hinaus, das sich in den neuen UMTS-Mobilfunksystemen fortzusetzen droht. "Im Namen der New Economy" forderte Stracke deshalb die Politik auf, den Rahmen für einen fairen Wettbewerb aller Diensteanbieter zu gewährleisten.

Unbezahlbar

Mit dieser Forderung hatte er Thomas Heilmann auf seiner Seite. Der kritisierte, dass der bei den Auktionen der UMTS-Lizenzen erzielte Erlös zwar Geld in die Staatshaushalte spült, zugleich aber die Investitionskosten der Betreiber derart verteuert, dass die Dienste am Ende für die Masse der Konsumenten unbezahlbar werden. Vorreiter Großbritannien hatte die Versteigerung von fünf Lizenzen knapp 70 Milliarden Mark eingebracht. In Frankreich vergibt dagegen die Regulierungsbehörde die vier UMTS-Lizenzen für umgerechnet jeweils 10 Milliarden Mark; die Hälfte dieser Summe müssen die Lizenznehmer in den ersten zwei Jahren zahlen, die andere Hälfte verteilt über die restlichen 13 Jahre. Wie hier zu Lande die Regeln noch während des bereits laufenden Bieterverfahrens verändert werden könnten, behielt der CDU-Experte allerdings für sich. Denn die Weichen sind längst gestellt. "Die Länder, die das Geld in der Wirtschaft lassen, werden die Nase vorn haben", befürchtet Tim Stracke. Woraufhin Tauss ihm den Rat gab, dass youSmile sich nicht zu viele Gedanken über die Global Players in der Telekommunikation machen sollte; die hätten ihre Geschäftsmodelle schon sehr gut durchgerechnet. Und an Heilmann gewendet: "Die Idee mit der Versteigerung stammt nicht von uns"; die schreibt das von der christlich-liberalen Vorgängerregierung unter Helmut Kohl 1996 verabschiedete Telekommunikationsgesetz (TKG) bindend vor.

Die seinerzeit geschaffenen Rahmenbedingungen sind auch die Ursache der heutigen Flatrate-Geburtswehen. Im Ortsnetz ist der Ex-Staatscarrier der mit Abstand führende Internet Service Provider und behindert den Wettbewerb, sodass die Internet-Zugangskosten für die Verbraucher allen Preissenkungen zum Trotz nach wie vor viel zu hoch seien, klagt youSmile. Dieser Einschätzung schlossen sich Tauss und Heilmann zwar an, Möglichkeiten zum Eingreifen sehen beide aber nicht. Die Amerikaner hätten durch die Tarifstruktur der kostenlosen Ortsgespräche eine günstigere Ausgangssituation gehabt, als Online-Dienste und das Internet populär wurden, meint Heilmann und hofft, "dass wir über den Wettbewerb sehr viel schneller zu niedrigen Gebühren kommen als über die Regulierung". "Das TKG lässt uns leider keinen politischen Spielraum", meint auch Jörg Tauss.

Bei der Privatisierung der Telekom war die Chance versäumt worden, durch eine Aufspaltung der Telekom horizontale Märkte zu schaffen; stattdessen wurde die vertikale Integration von Fern- und Ortsnetzen beibehalten. "Man hat nur den Sprachverkehr im Auge gehabt, nicht den Datenverkehr." Und mit dem Blick auf die Börsengänge der Deutschen Telekom hat sich die Regulierungsbehörde stets zurückgehalten, was die letzte Meile angeht. "Diese Rücksichtnahme darf von der Telekom natürlich nicht dazu missbraucht werden, neue Monopole aufzubauen", mahnt jetzt der SPD-Bundestagsabgeordnete. "Es kann nicht angehen, dass die Telekom indirekt T-Online subventioniert."

Zu dem Berliner "Streitgespräch" siehe auch Telepolis: Wenn Startups Politik machen(Richard Sietmann) / (jk)