Henry Sherwood: Nur kurz in den Rückspiegel gucken
"Man gebe mir zwei Kollegen zur Hand und wir brechen in jeden beliebigen Computer ein", behauptete Henry Sherwood im Jahre 1975. Heute wird der ältere Bruder von Joseph Weizenbaum 80.
Henry Sherwood (links) und sein jüngerer Bruder Joseph Weizenbaum
"Man gebe mir zwei Kollegen zur Hand und wir brechen in jeden beliebigen Computer ein", behauptete Henry Sherwood im Jahre 1975 zur Gründung von Sherwood & Associates mit Sitz in Bad Homburg. Das frisch gestartete Beratungsunternehmen sorgte sich um die Einbruchssicherheit von Rechenzentren und bildete die ersten "Tiger Teams" aus. Die Behauptung von Sherwood wurde von der Computerwoche damals als "billiger Werbegag" abqualifiziert. Doch das Gegenteil war der Fall: Zusammen mit seinen Kollegen gelang es Sherwood, in das Rechenzentrum des damals größten Schweizer Pharmakonzerns einzubrechen eine Auftragsarbeit im Namen des Konzerns. Sie entwendeten verschlüsselte Produktions- und Patentdaten nach zwei Tagen lagen sie im Klartext vor und wurden dem Schweizer Auftraggeber präsentiert, der bis dahin sein Rechenzentrum für absolut sicher hielt.
"Es war einfach der bodenlose Leichtsinn der Leute in den Rechenzentren, die sehr viel Geld für die Technik ausgegeben haben und viele Leistungen von externen Firmen einkaufen mussten. Für diese wurde dann der Zugriff auf die Rechner erleichtert", erklärte Sherwood seine bewunderte "Technik". Auf einen anderen, früheren Einsatz ist er besonders stolz: Inmitten des Sechstagekrieges gelang es Sherwood als einzigem Amerikaner, in das Rechenzentrum Ramat Gan der israelischen Armee einzudringen und dort einige Bänder mitzunehmen. Seine Aktion war Resultat einer Wette, die er mit dem israelischen Generalstab abgeschlossen hatte. "Es war das, was die jungen Leute heute ‘Social Hacking’ nennen. Ich habe mich einfach wie ein IBM-Mann angezogen", erzählte Sherwood.
Heute feiert Henry F. Sherwood seinen 80. Geburtstag. Am 22. 11. 1921 wurde er in Berlin als Heinrich Weizenbaum geboren, der älteste Sohn von Jechiel und Henriette Weizenbaum. Im Jahre 1936 gelang es dem Hof-Kürschnermeister Weizenbaum mit seiner Familie, nach Amerika zu fliehen und in Detroit Fuß zu fassen. Bei seinem Eintritt in die US-Armee im Jahre 1942 änderte Heinrich Weizenbaum seinen Namen in Henry Sherwood, nach jenem Sherwood Forest, in denen Robin Hood gegen das Unrecht kämpfte. Wie sein jüngerer Bruder Joseph Weizenbaum begann Henry Sherwood nach dem Krieg eine Karriere in der Computerbranche als Programmierer bei Univac. Später arbeitete er bei der Firma Burroughs, wo er an der Kontruktion der B3000 mitwirkte. Anschließend war Henry Sherwood der Vorsitzende des US-Kommittees für die Entwicklung von OCR-Schriften, das OCR-A und OCR-B standardisierte.
1966 verließ der Vater von 7 Töchtern seine Familie in Amerika und ging nach Europa, wo er bis 1975 bei der Beratungsfirma Diebold arbeitete und Gründer wie Leiter des europäischen Diebold-Forschungsprogrammes war. Dieses Programm sollte "die Führungskräfte der fortgeschrittensten Rechenzentren in die Lage versetzen, die Entwicklung und den Bedarf der Computertechnik auf Jahre hinaus planbar zu machen". Sherwood arbeitete zunächst von Frankreich aus, später auch von Deutschland, nachdem er auf Intervention von Willy Brandt eine dauernde Aufenthaltsgenehmigung erhielt. Die von Diebold in ganz Europa veranstalteten Computerkongresse waren in jener Zeit eine der raren Möglichkeiten, zu denen sich Computerfachleute aus Ost und West unter den wachsamen Blicken aller Geheimdienste treffen konnten. Zum Abschied bei Diebold formulierte Sherwood 1974 neun Thesen zur Computerentwicklung, wobei die letzte eine Forderung nach Aufhebung des deutschen Postmonopols war, weil die Datenfernübertragung für jeden Computer wichtig wurde.
Mit seiner eigenen Firma Sherwood & Associates beriet Henry Sherwood bis 1981 Firmen in Fragen der Datensicherheit. Danach zog er sich langsam ins Privatleben zurück. Für die DDR von der Sherwood zu Diebold-Zeiten durch den Brand-Spion Guilleaume beobachtet wurde war er nicht mehr interessant: In seinen Stasi-Akten findet sich dazu die Bemerkung von der "überlegenen Sicherheit unserer Rechenzentren, die auf der materialistisch-dialektischen Weltanschauung beruhen". Wenn es so einfach gewesen wäre, würde sich das Gros der datenverarbeitenden Industrie ohne Umschweife zum Kommunismus bekannt haben. Wie sein Bruder Joseph Weizenbaum lebt auch Henry Sherwood in Europa, an der französischen Atlantikküste. Getreu seinem Lebensmotto, immer nach vorne zu gucken und nur kurz in den Rückspiegel, ist er von den Möglichkeiten des Internets begeistert. Es gestattet ihm, den Newsticker auf heise online zu lesen und zu kommentieren und heute mit 8 Kindern und 24 Enkelkindern in aller Welt seinen Geburtstag zu feiern. Wir gratulieren. (Detlef Borchers) /
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