Teile der Herculaneum-Papyri sind entziffert

Mit modernen bildgebenden Verfahren ist es italienischen Forschern gelungen, jahrtausendealte philosophische Texte in verkohlten Schriftrollen zu entziffern.

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Schriftrollen werden abfotografiert

(Bild: Universität Pisa)

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Ein italienisches Forscherteam konnte rund 1000 Wörter (über 30 Prozent) eines Textes aus den verkohlten antiken Schriftrollen von Herculaneum mithilfe digitaler Methoden entziffern, wie das Team kürzlich berichtete. Die Schriftrollen wurden bei einem Vesuvausbruch im Jahr 79 unter Lava und Asche verschüttet. Die teilweise verkohlten Papyri wurden bei Ausgrabungen in den 1750er-Jahren entdeckt.

Die digitale Entschlüsselung dieser Schriften ist Aufgabe des von der EU mit 2,5 Millionen Euro geförderten Projekts "GreekSchools" unter der Leitung von Prof. Graziano Ranocchia von der Universität Pisa. An der Entzifferung der Papyri sind außerdem das italienische Institut für Kulturerbe-Forschung (ISPC) und das Institut für Computerlinguistik “Antonio Zampolli” (ILC) des Nationalen Forschungsrats CNR sowie die Nationalbibliothek Neapel beteiligt.

"GreekSchools entwickelt neue Methoden zur Untersuchung der Manuskripte, indem es modernste bildgebende Verfahren wie Infrarot-/UV-Spektroskopie, molekulare und elementare Bildgebung, Thermografie, Tomografie und digitale Lichtmikroskopie einsetzt", erklärt Dr. Costanza Miliani vom CNR-Institut für Kulturerbe-Forschung. Mit mobilen Geräten der Forschungsplattform Molab, die Teil der europäischen Forschungsinfrastruktur für das Kulturerbe E-RIHS ist, untersuchten die Wissenschaftler auch doppelseitig beschriebene und mehrschichtige Papyri, um verborgene Texte sichtbar zu machen.

Ziel ist es, durch bildgebende Verfahren und philologische Methoden eine aktualisierte Edition der "Übersicht der Philosophen" des Philodemos von Gadaras zu erstellen. Dieses Werk ist die älteste erhaltene Darstellung der griechischen Philosophiegeschichte. Die darin enthaltene "Geschichte der Akademie" birgt wertvolle Informationen zu Platon und der Entwicklung seiner Schule unter seinen Nachfolgern. "Durch die Neuedition hat sich der Text radikal verändert. Sie führt zu einer Reihe neuer Fakten über die Akademie und ihre Philosophen", sagt Prof. Ranocchia die Tragweite der Entdeckungen. "Fragmentarische Passagen konnten ergänzt oder neu interpretiert werden. Der Textzuwachs entspricht dem Fund von zehn mittelgroßen Papyrusfragmenten", ergänzt Dr. Kilian Fleischer, der Herausgeber des Papyrus im GreekSchools-Projekt.

Zu den wichtigsten Neuigkeiten zählt, dass Platon in einem ihm vorbehaltenen Garten der Akademie in Athen bestattet wurde, nahe dem sogenannten "Museion", einem den Musen geweihten Heiligtum. Bisher war nur bekannt, dass er in der Akademie begraben lag, genauere Angaben zum Ort gab es nicht.

Auch wurde Platon offenbar schon 404 v. Chr. auf Ägina als Sklave verkauft, als die Spartaner die Insel eroberten, eventuell auch 399 v. Chr. nach dem Tod des Sokrates. Man ging bislang davon aus, dass dies erst 387 v. Chr. auf Sizilien am Hof von Dionysios I. geschehen war. An anderer Stelle äußert sich Platon in einem Dialog abfällig über die musikalischen Fähigkeiten einer Musikerin aus Thrakien.

Die Fortschritte des noch bis 2026 laufenden Forschungsprojekts geben Anlass zur Hoffnung, dass die verkohlten Schriften weitgehend entschlüsselt werden können und noch mehr Details aus Platons Leben preisgeben.

Bereits im vergangenen Jahr konnten im Rahmen der "Vesuvius Challenge" einige griechische Buchstaben und ein erstes Wort in verkohlten Schriftrollen aus Herculaneum entziffert werden. Dazu wurde ein ungewöhnlicher Ansatz gewählt. Die beiden Informatikstudenten Luke Farritor von der University of Nebraska-Lincoln und Youssef Nader von der Freien Universität Berlin ließen zwei bisher ungeöffnete Papyrusrollen mit einem Teilchenbeschleuniger durchleuchten, in der Hoffnung, dass sich aus den hochauflösenden Bildern ganze Textpassagen entziffern lassen.

Unabhängig voneinander trainierten sie KI-Modelle, um Texte in den hochaufgelösten Bildern zu erkennen. Beide konnten eine Reihe griechischer Buchstaben und ein erstes Wort identifizieren. Nader erkannte sogar vier Spalten mit jeweils mehr als sechs Zeilen auf dem Papyrus. Farritor gewann mit seiner schnelleren Lösung 40.000 Dollar, Nader erhielt 10.000 Dollar.

(vza)