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Hintergrund: Zur Leistung der Xbox 360

Hartmut Gieselmann

Microsoft wirft bei der neuen Xbox 360 mit Teraflop-Zahlen um sich und suggeriert einen technischen Überflieger. Ein genauer Blick auf die Zahlen holt sie wieder zurück auf die Erde.

Auf den ersten Blick [1] sehen die technischen Spezifikationen [2] der Xbox 360 spektakulär aus. Herz der Konsole ist eine 64-Bit-PowerPC-CPU mit drei Kernen, die mit 3,2 GHz arbeiten. Diese sollen 9 Milliarden Dot Product Operations pro Sekunde ausführen können, also eine Operation pro AltiVec-Einheit und Takt. Eine Dot Product Operation besteht üblicherweise aus fünf Gleitkomma-Operationen (drei Multiplikationen und zwei Additionen), woraus sich eine Rechenleistung von 45 GFLOP/s ergibt. Vergleicht man diese mit einem Pentium 4, der bei 3,8 GHz auf 15,2 GFLOP/s kommt oder einem PowerPC970, der bei 2,7 GHz immerhin 21,1 GFLOP/s bewältigt, wirkt die Xbox 360 rasant schnell. Der in der Playstation 3 verbaute CELL-Prozessor [3] setzt allerdings acht parallele Recheneinheiten (SPE) ein und würde bei 4 GHz Taktrate theoretisch stattliche 256 GFLOP/s erreichen. Selbst wenn die Playstation 3 die Recheneinheiten ihres Cell-Prozessors nur mit 2 GHz taktete, wäre sie immer noch theoretisch dreimal so schnell wie die Xbox 360.

Wollte man die Xbox 360 in die Liste der schnellsten Rechner [4] einordnen, darf man also nicht die von Microsoft proklamierten theoretischen Spitzenwert von 1 TFLOP/s ansetzen, da sie diese nur erreicht, wenn man unlauterer Weise die theoretische Rechenleistung der GPU hinzurechnen und diese ihre 48 parallelen Shader-Pipelines optimal ausnutzen würde. Zudem geht Microsoft bei dem Wert von 1 TFLOP/s anscheinend von Single-Precision-Operationen aus; für die Top-500-Liste wird jedoch immer die Double-Precision-Leistung gemessen.

Entscheidend für den Detailreichtum der kommenden Xbox-360-Spiele dürfte jedoch maßgeblich die Leistung der GPU sein. Hier stellt Microsoft die gigantische Transferrate von 256 GByte/s der 10 MByte embedded DRAM in der GPU in den Vordergrund. Dieser Speicher dient als Buffer für die Berechnungen der Farbanteile (rot, grün, blau) sowie für Alpha-, Stencil- und Tiefeninformationen jedes einzelnen Pixels. ATI nutzt ihn, um per Anti-Aliasing Objekt-Kanten zu glätten, und zwar ohne Performanceeinbußen. Von seiner Größe her wäre er für ein vierfaches Anti-Aliasing bei 1080i (1920 × 1080 Bildpunkten) dann allerdings zu klein. Selbst bei 720p (1280 × 720 Bildpunkten) wäre nur ein zweifaches Anti-Aliasing möglich, wenn alle Pixel komplett in die 10 MByte eDRAM passen sollen. Dem entsprechend schreibt Microsoft den Xbox-Spielen auch nur vor, Auflösungen von 720p mit 2X-Anti-Aliasing zu unterstützen. Höhere Auflösungen sind optional.

Erstaunlich niedrig fällt die Transferrate von 22,4 GByte/s zum GDDR3-Speicher aus, der gleichermaßen als Haupt- und Grafikspeicher dient. Diese liegt lediglich im Mittelfeld aktueller Grafikkarten. Bei der Pixel-Füllrate spricht Microsoft von 16 Millarden Samples pro Sekunde bei vierfachem Anti-Aliasing. Dabei werden jedoch immer 4 Samples für ein Pixel genutzt, die Pixelfüllrate beträgt demnach also nur 4 Gigapixel/s. Im Vergleich gibt ATI bei seinen GPUs jedoch immer die Füllrate in Pixeln an. Mit ihrer Polygonfüllrate von 500 Millionen Dreiecken pro Sekunde läge die Xbox-360-GPU Leistungsmäßig etwa auf dem Niveau einer Radeon X700 Pro, die auf 3,4 GPixel/s und 637,5 Millionen Polygone/s kommt. Sicherlich hat die Xbox-360-GPU bessere Shader-Tricks auf Lager, eine so motorisierte GPU wäre aber für eine Auflösung von 1920 × 1080 Bildpunkten selbst ohne Anti-Aliasing leicht untermotorisiert.

Die größte Schwachstelle der Xbox 360 ist jedoch, dass sie keine Blu-ray Disc oder HD DVD abspielen kann, sondern nur ein 12X-DVD-ROM-Laufwerk besitzt. Zwar ist es technisch möglich, einen zweistündigen HD-Film mittels WMV-HD auf eine DVD-9 zu packen; Hollywood hat hierfür bisher jedoch nur einige Testfilme veröffentlicht und behält sich das große HD-Geschäft für die DVD-Nachfolger vor.

Zieht man all dies in Betracht, sitzt die Xbox 360 zwischen den Stühlen: Für PAL-Fernseher hat sie mehr als genügend Kraftreserven, bei den für HDTV nötigen höheren Auflösungen könnte ihr allerdings die Puste ausgehen -- was man ihr bei einem günstigen Preis von wahrscheinlich 300 US-Dollar allerdings auch leicht verzeihen mag. So mancher Interessent könnte sich aber überlegen, ob er nicht auf die Playstation 3 warten soll, die wahrscheinlich zwar erst 2006 auf den Markt kommt, dafür aber mehr Leitungsreserven bereit hält und ein Blu-ray-Laufwerk für HD-Videos mitbringen soll. (hag [5])


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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/news/Microsoft-praesentiert-Xbox-360-Update-160433.html
[2] http://www.xbox.com/en-US/xbox360/factsheet.htm
[3] https://www.heise.de/news/ISSCC-IBM-und-Sony-praesentieren-Cell-Prozessor-132971.html
[4] http://www.top500.org
[5] mailto:hag@ct.de