Hintergrund: Zur Leistung der Xbox 360

Microsoft wirft bei der neuen Xbox 360 mit Teraflop-Zahlen um sich und suggeriert einen technischen Überflieger. Ein genauer Blick auf die Zahlen holt sie wieder zurück auf die Erde.

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Auf den ersten Blick sehen die technischen Spezifikationen der Xbox 360 spektakulär aus. Herz der Konsole ist eine 64-Bit-PowerPC-CPU mit drei Kernen, die mit 3,2 GHz arbeiten. Diese sollen 9 Milliarden Dot Product Operations pro Sekunde ausführen können, also eine Operation pro AltiVec-Einheit und Takt. Eine Dot Product Operation besteht üblicherweise aus fünf Gleitkomma-Operationen (drei Multiplikationen und zwei Additionen), woraus sich eine Rechenleistung von 45 GFLOP/s ergibt. Vergleicht man diese mit einem Pentium 4, der bei 3,8 GHz auf 15,2 GFLOP/s kommt oder einem PowerPC970, der bei 2,7 GHz immerhin 21,1 GFLOP/s bewältigt, wirkt die Xbox 360 rasant schnell. Der in der Playstation 3 verbaute CELL-Prozessor setzt allerdings acht parallele Recheneinheiten (SPE) ein und würde bei 4 GHz Taktrate theoretisch stattliche 256 GFLOP/s erreichen. Selbst wenn die Playstation 3 die Recheneinheiten ihres Cell-Prozessors nur mit 2 GHz taktete, wäre sie immer noch theoretisch dreimal so schnell wie die Xbox 360.

Wollte man die Xbox 360 in die Liste der schnellsten Rechner einordnen, darf man also nicht die von Microsoft proklamierten theoretischen Spitzenwert von 1 TFLOP/s ansetzen, da sie diese nur erreicht, wenn man unlauterer Weise die theoretische Rechenleistung der GPU hinzurechnen und diese ihre 48 parallelen Shader-Pipelines optimal ausnutzen würde. Zudem geht Microsoft bei dem Wert von 1 TFLOP/s anscheinend von Single-Precision-Operationen aus; für die Top-500-Liste wird jedoch immer die Double-Precision-Leistung gemessen.

Entscheidend für den Detailreichtum der kommenden Xbox-360-Spiele dürfte jedoch maßgeblich die Leistung der GPU sein. Hier stellt Microsoft die gigantische Transferrate von 256 GByte/s der 10 MByte embedded DRAM in der GPU in den Vordergrund. Dieser Speicher dient als Buffer für die Berechnungen der Farbanteile (rot, grün, blau) sowie für Alpha-, Stencil- und Tiefeninformationen jedes einzelnen Pixels. ATI nutzt ihn, um per Anti-Aliasing Objekt-Kanten zu glätten, und zwar ohne Performanceeinbußen. Von seiner Größe her wäre er für ein vierfaches Anti-Aliasing bei 1080i (1920 × 1080 Bildpunkten) dann allerdings zu klein. Selbst bei 720p (1280 × 720 Bildpunkten) wäre nur ein zweifaches Anti-Aliasing möglich, wenn alle Pixel komplett in die 10 MByte eDRAM passen sollen. Dem entsprechend schreibt Microsoft den Xbox-Spielen auch nur vor, Auflösungen von 720p mit 2X-Anti-Aliasing zu unterstützen. Höhere Auflösungen sind optional.

Erstaunlich niedrig fällt die Transferrate von 22,4 GByte/s zum GDDR3-Speicher aus, der gleichermaßen als Haupt- und Grafikspeicher dient. Diese liegt lediglich im Mittelfeld aktueller Grafikkarten. Bei der Pixel-Füllrate spricht Microsoft von 16 Millarden Samples pro Sekunde bei vierfachem Anti-Aliasing. Dabei werden jedoch immer 4 Samples für ein Pixel genutzt, die Pixelfüllrate beträgt demnach also nur 4 Gigapixel/s. Im Vergleich gibt ATI bei seinen GPUs jedoch immer die Füllrate in Pixeln an. Mit ihrer Polygonfüllrate von 500 Millionen Dreiecken pro Sekunde läge die Xbox-360-GPU Leistungsmäßig etwa auf dem Niveau einer Radeon X700 Pro, die auf 3,4 GPixel/s und 637,5 Millionen Polygone/s kommt. Sicherlich hat die Xbox-360-GPU bessere Shader-Tricks auf Lager, eine so motorisierte GPU wäre aber für eine Auflösung von 1920 × 1080 Bildpunkten selbst ohne Anti-Aliasing leicht untermotorisiert.

Die größte Schwachstelle der Xbox 360 ist jedoch, dass sie keine Blu-ray Disc oder HD DVD abspielen kann, sondern nur ein 12X-DVD-ROM-Laufwerk besitzt. Zwar ist es technisch möglich, einen zweistündigen HD-Film mittels WMV-HD auf eine DVD-9 zu packen; Hollywood hat hierfür bisher jedoch nur einige Testfilme veröffentlicht und behält sich das große HD-Geschäft für die DVD-Nachfolger vor.

Zieht man all dies in Betracht, sitzt die Xbox 360 zwischen den Stühlen: Für PAL-Fernseher hat sie mehr als genügend Kraftreserven, bei den für HDTV nötigen höheren Auflösungen könnte ihr allerdings die Puste ausgehen -- was man ihr bei einem günstigen Preis von wahrscheinlich 300 US-Dollar allerdings auch leicht verzeihen mag. So mancher Interessent könnte sich aber überlegen, ob er nicht auf die Playstation 3 warten soll, die wahrscheinlich zwar erst 2006 auf den Markt kommt, dafür aber mehr Leitungsreserven bereit hält und ein Blu-ray-Laufwerk für HD-Videos mitbringen soll. (hag)