Hinzuverdienst zur Rente​: Grenzenloses Einkommen

Schon heute geht jeder Vierte trotz Abschlägen vorzeitig in Rente. Künftig könnten es noch mehr werden, denn die Hinzuverdienstgrenze soll wegfallen.

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(Bild: StockLite/Shutterstock.com)

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Von
  • Peter Ilg
Inhaltsverzeichnis

Das Rentensystem Deutschlands basiert auf einem Generationenvertrag: Die Beschäftigten bezahlen mit ihren Beiträgen die Renten der Ruheständler. Damals, 1889, als die deutsche Rentenversicherung gegründet wurde und viele Jahrzehnte danach funktionierte diese Idee, weil viel mehr junge Menschen ins Berufsleben eintraten, als wenige Ältere ausschieden. Seit wiederum einigen Jahrzehnten hat sich das Blatt gewendet: Es kommen weniger Beitragszahler nach, als Ältere in Rente gehen. Der Generationenvertrag ist im Wanken.

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Deshalb wurde das Renteneintrittsalter von 65 auf 67 Jahren angehoben. Die reguläre Altersgrenze steigt in den Jahren von 2012 bis 2029 in Ein- und Zwei-Monatsschritten. Gesetzlich Rentenversicherte des Jahrgangs 1964 sind die Ersten, die bis 67 Jahren arbeiten müssen, um abschlagsfrei in Rente gehen können.

Der letzte Satz im vorherigen Absatz deutet bereits an, dass es Ausnahmen von der regulären Altersrente gibt. Eine davon ist die Altersrente für langjährige Versicherte. Die müssen mindestens 35 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben, um vorzeitig ihre Altersrente in Anspruch zu nehmen. Allerdings kostet das einen Abschlag auf die monatliche Altersrente.

Für jeden Monat, den eine Rente vor dem regulären Renteneintrittsalter beginnt, werden 0,3 Prozent der Altersrente abgezogen, die ein Versicherter mit Erreichen der Regelaltersgrenze bekommen hätte. Wenn die Rente mit 63 Jahren, anstatt mit 67 Jahren beginnt, wird sie um einen Abschlag von 14,4 Prozent gekürzt. Das ist die höchste Kürzung, weil frühestmöglicher Rentenbeginn für langjährig Versicherte.

Beispiel: Ein gesetzlich Rentenversicherter des Jahrgangs 1960 erreicht seine Regelaltersgrenze mit 66 Jahren und 4 Monaten. Dann kann er abschlagsfrei in Rente gehen. Ist es ein langjährig Versicherter mit mindestens 35 Beitragsjahren, kann er auch schon mit 63 Jahren vorzeitig Altersrente beziehen. Der Abschlag auf die Altersrente beträgt in diesem Fall 12 Prozent (40 Monate x 0,3 Prozent).

Bei einer angenommenen Altersrente von 1800 Euro werden 216 Euro abgezogen. Die vorzeitige Altersrente beträgt somit 1584 Euro. Davon gehen 11 Prozent für Kranken- und Pflegeversicherung ab. Das macht 174,24 Euro. Von der Rente müssen auch noch Steuern bezahlt werden. Renten werden mit einem Ertragsanteil besteuert, der sich nach dem Jahr des Rentenbeginns berechnet. Wer etwa 2023 in Rente geht, dem werden 83 Prozent seiner Altersrente als Einkünfte angerechnet. Diesen Betrag muss er versteuern.

Kranken- und Pflegeversicherung sowie Steuern müssen auch auf die reguläre Altersrente bezahlt werden. Die Höhe des Abschlags ist daher das entscheidende Kriterium für einen früheren Renteneintritt. Viele Versicherte stören die Abschläge offensichtlich nicht, zeigen Zahlen der Deutschen Rentenversicherung. Von den 858.000 Neuzugängen bei den Altersrenten im vergangenen Jahr wurde jede Vierte (24,5 Prozent) gekürzt. Das ist der höchste Wert seit 2013. Im letzten Jahr nahmen somit 210.616 Rentnerinnen und Rentner eine niedrigere Rente in Kauf, um früher in Rente zu gehen – und das dauerhaft. Denn die Abschläge bleiben über die gesamte Zeit des Rentenbezugs bestehen.

Kürzungen können durch zusätzliche Beitragszahlungen ganz oder teilweise ausgeglichen werden. Ob sich das lohnt, hängt vor allem davon ab, wie alt der vorzeitige Altersrentner wird. Je näher er an 100 Jahre kommt, desto mehr profitiert er von den freiwilligen Beiträgen.

Ein Zusatzverdienst ist eine weitere Möglichkeit, um Rentenkürzungen auszugleichen. Bis 2019 durften vorzeitige Altersrentner 6300 Euro im Kalenderjahr hinzuverdienen, ohne dass die Rente gekürzt wurde. Das darüber hinaus liegende Einkommen wurde zu 40 Prozent auf die Rente angerechnet. Während der Corona-Jahre wurde die Hinzuverdienstgrenze deutlich erhöht. 2020 auf 44.950 Euro, für die Jahre 2021 und 2022 auf 46.060 Euro. Die aktuellen Regelungen kann man etwa hier auf der Seite der Deutschen Rentenversicherung nachlesen. Ab 2023 soll die aktuell geltende Hinzuverdienstgrenze für eine vorgezogene Altersrente wegfallen. Neben dem Bezug einer vorgezogenen Altersrente wäre dann ein unbegrenzter Hinzuverdienst möglich.

Noch ist es aber nicht so weit. Nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung ist der aktuelle Stand folgendermaßen: Im Bundestag fand die erste Lesung statt, die zweite und dritte Lesung steht noch aus. Außerdem muss anschließend der Bundesrat zustimmen. Das alles soll nach dem Willen der Bundesregierung noch in diesem Jahr geschehen.

Sollte die Hinzuverdienstgrenze fallen, kann es sich für langjährig Versicherte trotz Abschlägen durchaus rechnen, früher in Rente zu gehen. Um beim Beispiel von oben zu bleiben: Angenommen, der 1960 Geborene geht mit 63 Jahren in Rente, arbeitet bis 65 Jahren voll weiter und hört dann ganz auf, dann kann er bei einer Lebenserwartung von etwa 80 Jahren trotz Abschlägen finanziell im Vorteil gegenüber seiner regulären Altersrente sein. Sein Gewinn ist, eventuell 16 Monate früher nicht mehr arbeiten zu müssen und das ohne finanziellen Verlust auf viele Jahre hinaus. Dies hat eine Rentenberaterin berechnet.

Wir raten zur Rentenberatung zu gehen, überprüfen zu lassen, ob die Voraussetzungen für eine langjährige Versicherung vorliegen und die Altersrente einschließlich Abschlag für die vorzeitige Altersrente berechnen zu lassen. Mit diesen Zahlen kann etwa ein Steuerberater berechnen, was am Ende netto von der Rente plus dem Hinzuverdienst übrigbleibt und wie lange ein finanzieller Vorteil gegenüber der regulären Altersrente ohne Abschläge besteht.

Allein die individuelle Lebenserwartung ist die große Unbekannte an dem Berechnungsmodell.

(axk)