Hohe Strompreise torpedieren europäische Chip-Pläne

Der Kostendruck beim einzigen deutschen Hersteller für Chip-taugliches Silizium zeigt eine Hürde für die Stärkung der europäischen Halbleiterbranche.

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Firmengelände der RW silicium in Pocking

Firmengelände der RW silicium in Pocking

(Bild: RW silicium GmbH)

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Die niederbayrische Firma RW silicium GmbH erzeugt als einziger Hersteller in Deutschland hochreines Silizium, aus dem sich Wafer für Halbleiterchips fertigen lassen. Doch wegen enorm gestiegener Strompreise musste RW silicium die Produktion zwischenzeitlich stoppen und betreibt aktuell nur einen von vier elektrischen Lichtbogenöfen. Diese Folge der hohen Energiekosten in Deutschland wirft ein Schlaglicht auf Hürden, die den Plänen zur Stärkung der Halbleiterproduktion innerhalb der Europäischen Union (EU) im Weg stehen.

Die Herstellung einiger Grundstoffe für die Halbleiterproduktion ist extrem energieaufwändig. Gegenüber Niederbayern TV aus Passau erklärte der Geschäftsführer von RW silicium, dass die Produktion von einer Tonne Silizium aus Quarz und Kohlenstoff rund 15.000 Kilowattstunden Strom verschlingt. Mit dieser Energiemenge kann man ein älteres Einfamilienhaus ein Jahr lang heizen.

Vom Sand zum Chip: CMOS-Halbleiterbaulemente entstehen auf Scheiben (Wafern) aus reinem Silizium.

(Bild: c’t Magazin)

RW silicium erzeugt dabei nur das Silizium als Metall. Es wird auch für Metalllegierungen verwendet sowie als Grundstoff für Silikone. Noch weitere Energie ist nötig, um Rohsilizium in der Schmelze zu reinigen und daraus einen riesigen Einkristall zu züchten, der sich in Wafer mit 20 oder 30 Zentimetern Durchmesser zersägen lässt. Die Verarbeitung übernimmt beispielsweise die ehemalige Wacker-Sparte Siltronic, die in Burghausen rund 60 Kilometer von Pocking entfernt am Inn sitzt. Das ist kein Zufall, denn Wacker betreibt zur Deckung des hohen Energiebedarfs eigene Wasserkraftwerke an der Alz, die in den Inn mündet.

Gegenüber dem Bayrischen Rundfunk hatte RW-silicium-Geschäftsführer Stefan Bauer bereits Ende März vergünstigten Strom für die Industrie gefordert, den es in anderen Ländern auch gibt. Einen solchen Industriestrompreis hält die Professorin Karen Pittel vom ifo Institut für Wirtschaftsforschung allerdings für „kaum realisierbar“, wie sie im Gespräch mit der taz kürzlich erklärte. Denn das „würde große Summen aus Steuergeldern kosten“. Sie geht zudem davon aus, dass sich die hiesigen Energiekosten nicht auf das viel niedrigere Niveau wie etwa in den USA senken lassen werden.

Siliziumfabrik von PCC BakkiSilicon in Island

(Bild: PCC BakkiSilicon)

Die hohen Energiekosten in Deutschland gefährden auch die Ansiedelung anderer energieintensiver Fabriken, etwa der geplanten Northvolt-Batteriefertigung bei Heide in Schleswig-Holstein. Angeblich hadert auch Intel bei der Planung der Chip-Fabs in Magdeburg mit den Stromkosten. Im Gespräch mit c’t hatte Intel-CEO Pat Gelsinger aber im Herbst 2022 noch abgewiegelt, dass die Energiekosten nur ein relativ kleinen Anteil an den Gesamtkosten einer Chip-Fab hätten. Außerdem hatte Intel betont, dass Sachsen-Anhalt schon heute ausreichend Windstrom produziere für eine CO2-neutrale Chipfertigung dort.

In manchen europäischen Ländern wie Norwegen gibt es viel billigen Strom aus Wasserkraft. Daher haben sich dort einige Firmen mit besonders hohem Bedarf an elektrischer Energie angesiedelt, etwa die Aluminiumerzeuger Norsk Hydro und Alcoa. Auch Wacker plant, die Fertigung von Siliziummetall am norwegischen Standort Holla auszubauen. In Norwegen gibt es allerdings schon jetzt einen erheblichen Mangel an Fachkräften und der größte Teil des Landes ist sehr dünn besiedelt.

Siliziumfabrik von Wacker in Norwegen

(Bild: Wacker)

In Island hat PCC BakkiSilicon ein neues Werk für Siliziummetall gebaut, das mit jährlich 32.000 Tonnen eine etwas höhere Kapazität hat als RW silicium und Energie aus geothermischen Kraftwerken nutzt. PCC BakkiSilicon importiert dazu nach eigenen Angaben Quarzsand aus Polen. Laut PCC BakkiSilicon eignet sich das dort gefertigte Silizium auch für Solarzellen, die aber nicht so reines Wafermaterial benötigen wie Halbleiterbauelemente.

Im EU-Land Schweden wiederum gibt es einige Werke, die Siliziumkarbid-(SiC-)Wafer herstellen. Wegen des enorm harten Materials, das auch als Schleifmittel verwendet wird, braucht das Zersägen und Polieren der Wafer mehr Zeit und Energie als bei Siliziumwafern.

RW silicium ist eine Tochterfirma der in den Niederlanden registrierten Advanced Metallurgical Group (AMG NV). AMG hatte 2012 die Firma Graphit Kropfmühl vollständig übernommen, die Eignerin der RW silicium. Letztere ist auch als Rottwerk bekannt.

[Korrektur: Island wurde irrtümlich der EU zugerdnet]

(ciw)