Vom Sand zum Chip: So entsteht ein moderner Prozessor

Halbleiterchips operieren an den Grenzen der Physik. Dabei entstehen sie aus dem gleichen Material, mit dem Kinder am Strand spielen: Sand

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Lesezeit: 21 Min.
Von
  • Benjamin Benz
Inhaltsverzeichnis

Ganz gewöhnlicher Sand bildet den Ausgangspunkt für Mikrochips. Sie sind das Herzstück jeder elektronischen Schaltung, angefangen bei der simplen Temperatursteuerung am Küchenherd über den Bremscomputer im Auto bis zum Smartphone oder High-End-PC.

In ihrem Inneren verarbeiten Milliarden winziger Schalter Informationen in Form von Ladungsträgern. Normalerweise bekommt man von diesem Mikrokosmos wenig mit, doch ein Blick in die Nanowelt der Halbleiter offenbart faszinierende Details. An ein schieres Wunder grenzt die Fertigung aktueller Chips.

Die Entstehung von Halbleiterchips

Dieser Artikel stammt aus c't 18/2013. Er gibt also nicht den aktuellen Stand der Technik wieder. Die grundlegenden Erläuterungen der Chipherstellung und die grundsätzlichen Aussagen zur Entwicklung der Halbleiterfertigung gelten aber weiterhin.

Bevor es an die dafür nötigen Abläufe und Tricks geht, gebührt das Augenmerk dem gerade einmal 100 Nanometer großen Hauptdarsteller, dem Transistor. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist etwa 700 Mal so dick. Ein Transistor besteht wiederum aus diversen geometrischen Strukturen – mit noch kleineren Abmessungen.

Vereinfacht dargestellt entspricht ein Transistor dem Klingelknopf an einer Haustür – zumindest, wenn man diesen drei Milliarden mal pro Sekunde betätigen und mit allen anderen Klingeln auf der Welt verbinden könnte. Seinen schematischen Aufbau zeigt die Detailvergrößerung in der folgenden Grafik.

(Bild: c't magaziin)

Wie der Klingelknopf hat auch ein moderner Feldeffekttransistor (FET) einen Eingang für Strom (Source) und einen Ausgang (Drain). Der dritte Anschluss, das Gate, entspricht dem Knopf, auf den man drückt, um den Strom durch den Schalter fließen zu lassen, sprich zu klingeln. Einziger Unterschied: Beim FET löst nicht mechanischer Druck den Stromfluss aus, sondern das elektrische Feld von Ladungsträgern (Elektronen) am Gate.

Aufgrund welcher Halbleitereffekte das genau funktioniert, ist Stoff für einen anderen Artikel. Für das Verständnis der Fertigungsschritte, die Sand in Mikrochips verwandeln, reicht eine grobe Vorstellung des Transistoraufbaus. Er besteht im Wesentlichen aus vier Flächen respektive dreidimensionalen Strukturen: Source, Drain, Gate und dem dazwischenliegenden Channel. Diese müssen unter schiedliche elektrische Eigenschaften aufweisen, damit die Halbleitermagie den simplen Siliziumkristall in einen Schalter verwandelt.

Intels kürzlich vorgestelltes Flaggschiff Haswell GT2 (Anmerkung: Der Originalartikel wurde im Jahr 2013 verfasst) besteht im Wesentlichen aus 1,4 Milliarden solcher Transistoren. Der nackte Chip, sprich das Siliziumplättchen ohne Blechdeckel und Trägerplatine, heißt Die und reimt sich auf Hai (Plural: Dice oder Dies) und misst gerade einmal 20,5 mm x 8,6 mm (also 177 mm2 ). Drei davon passen auf eine Standardbriefmarke. Die Transistoren sitzen unglaublich dicht beisammen: Auf die Oberfläche eines 3-mm-Stecknadelkopfes würden 223 Millionen davon passen, auf den Punkt am Ende dieses Satzes noch eine Million. Selbst die Querschnittsfläche eines menschlichen Haares könnte mehr als 30.000 Transistoren beherbergen.

Die tatsächlichen Abmessungen oder gar die Geometrie ihrer modernsten Transistoren verraten die Hersteller nicht. Aus den öffentlich zugänglichen Angaben zu den SRAM-Zellen kann man jedoch zurückrechnen, dass die Kantenlänge eines in einem aktuellen 22-nm-Prozess hergestellten FET in der Größenordnung der bereits erwähnten 100 Nanometer liegt. Die kleinsten Strukturen messen nur einen Bruchteil davon. Einzelne Schichten bestehen sogar nur aus wenigen Atomlagen.

Weil jeder Hersteller sein eigenes Transistorsüppchen kocht und auf einem Chip diverse – auf ihre jeweilige Aufgabe abgestimmte – Transistorbauformen koexistieren, hat sich als Kenngröße für die Herstellungsprozesse die „Strukturbreite“ etabliert. Die International Technology Roadmap for Semiconductors (kurz ITRS) nutzt eine abstrakte Referenzgröße: den halben Rasterabstand (half pitch) in einem Feld aus DRAM-Speicherzellen – oder noch genauer den Abstand zweier Leiterbahnen in deren feinster Verdrahtungsebene. Dieser beträgt bei einem 22-nm-Prozess ungefähr 22 Nanometer, beschreibt damit aber nicht zwangsläufig die Größe der feinsten Strukturen.

So komplex das auch klingen mag, das Ausgangsprodukt für diese Miniaturwunder lassen schon Kleinkinder auf dem Spielplatz oder im Sommerurlaub durch ihre Finger rinnen: ganz gewöhnlichen Quarzsand (Bild 1). Er besteht im Wesentlichen aus Siliziumdioxid. Silizium selbst entsteht im Inneren von massereichen Sternen bei Temperaturen oberhalb von 1 Milliarde Grad Celsius, wenn zwei Sauerstoffatome fusionieren. Das auf der Erde nach Sauerstoff und Eisen dritthäufigste Element weist sowohl Eigenschaften von Metallen als auch von Nichtmetallen auf. Damit zählt es zu den Halbleitern.

(Bild: c't magaziin)

Nicht ganz so heiß, dafür aber hochgiftig geht es bei der Gewinnung von Rohsilizium zu: Bei rund 2000ˇ°C reagieren Siliziumdioxid und Kohlenstoff zu Kohlenstoffmonoxid und Silizium. 15 Länder – vor allem aber China – produzieren jährlich knapp 10 Millionen Tonnen Silizium. Der Großteil davon wandert als Legierungszuschlag in die Stahl- und Aluminiumindustrie.

Lediglich ein paar hunderttausend Tonnen des noch mit rund 5 Prozent Fremdatomen verunreinigten Materials treten zur weiteren Veredelung an. Zuerst versetzt man das Silizium bei 300°C mit Chlorwasserstoff. Dabei entsteht neben hochexplosivem Wasserstoff auch Trichlorsilan. Das ist ätzend, leicht entzündlich und reagiert unter anderem mit Wasser gefährlich. Entsprechend große Sorgfalt erfordert die nun folgende Destillation. Danach kann man durch Zugabe von Wasserstoff an sehr heißen Siliziumstäben das nun bereits ziemlich reine Silizium wieder abscheiden.

Weil auch das noch nicht reicht, kommt ein weiterer Trick namens Zonenreinigung zum Einsatz: Dabei schmilzt eine Spule eine dünne Scheibe des senkrecht stehenden Siliziumstabes. Verunreinigungen sinken nach unten. Dann fährt die Spule weiter und nimmt so Zone für Zone die Störatome mit. Kleine prozesstechnische Details, etwa dass das Ganze nur im Hochvakuum funktioniert, erschweren die Reinigung.

Danach herrscht im Kristallgitter des Polysiliziums (Bild 2) zwar noch Chaos, es hat aber bereits die unglaubliche Reinheit von 99,9999999 Prozent erreicht. Gemessen an der Erdbevölkerung haben fast doppelt so viele Menschen den Mond besucht, wie Fremdatome im Polysilizium verbleiben.