Hubble-Konstante: Weltraumteleskop James Webb bestätigt mysteriöse Diskrepanz

Seit Jahren werden auf unterschiedlichen Wegen abweichende Werte für eine kosmologische Grundkonstante ermittelt. "Banale" Erklärungen fallen langsam weg.

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Beispiel für die deutlich bessere Auflösung des Weltraumteleskops James Web

(Bild: NASA, ESA, CSA, Adam G. Riess (JHU, STScI))

Lesezeit: 3 Min.

Das Weltraumteleskop James Webb hat grundlegende Messungen des Weltraumteleskops Hubble zur Expansionsgeschwindigkeit des Universums und damit die mysteriöse Diskrepanz bei der sogenannten Hubble-Konstante bestätigt. Das geht aus einer jetzt vorgestellten Arbeit des Physik-Nobelpreisträgers Adam Riess hervor, die das Space Telescope Science Institute vorstellt. Demnach haben die präziseren Instrumente des neuen Weltraumteleskops bestätigt, dass die wichtigen, aber noch vergleichsweise fehlerbehafteten Helligkeitsmessungen der Cepheiden durch Hubble korrekt waren. Die wiederum sind die zentrale Grundlage für die Ermittlung der Expansionsgeschwindigkeit im nahen Universum, die immer stärker von der ebenfalls immer präziser ermittelten Expansionsgeschwindigkeit des frühen Universums abweicht.

Cepheiden sind pulsierende Sterne, deren regelmäßige Helligkeitsveränderungen streng mit der absoluten Leuchtkraft zusammenhängen, wodurch sie zu einem entscheidenden Hilfsmittel bei der Entfernungsmessung geworden sind. Vor der Inbetriebnahme von Hubble waren die so ermittelten Daten aber noch so ungenau, dass die über diesen Weg errechneten Werte für das Alter des Universums zwischen 10 und 20 Milliarden Jahren schwankten. Das inzwischen mehr als 30 Jahre aktive Weltraumteleskop hat die Genauigkeit dann enorm erhöht, es war eine der zentralen Aufgaben für Hubble. Gleichzeitig waren die Daten aus technischen Gründen immer noch ziemlich verrauscht, was angesichts der sich öffnenden Diskrepanz bei der Hubble-Konstante nicht ideal war.

Wie Riess jetzt erläutert, muss man die Cepheiden auch im infraroten Spektrum beobachten, um Strahlung zu sehen, die sonst von interstellarem Staub verschluckt wird. Dazu ist in dem Umfang und der Genauigkeit aber erst das Weltraumteleskop James Webb imstande, Hubbles Messwerte habe man mit statistischen Hilfsmethoden verfeinern müssen. Die jetzt vorgestellten Daten bestätigen, dass dabei gute Arbeit geleistet wurde. Mithilfe des neuen Weltraumteleskops habe man das Rauschen in den Daten drastisch verringert und für mehr als 320 Cepheiden die Hubble-Werte bestätigt und präzisiert. Auch bei vier Supernovae, die man beobachtet habe und die ebenfalls der Entfernungsmessung dienen, sei das gelungen. Die zugehörige Facharbeit wird im Astrophysical Journal erscheinen.

Nicht erklärt werde damit, warum das Universum so viel schneller expandiert, als aus den Messungen des kosmischen Mikrowellenhintergrunds geschlussfolgert wurde. Inzwischen gibt es diese Diskrepanz – der "Hubble Tension" – seit mehr als zehn Jahren und eine überzeugende Auflösung wurde bislang nicht vorgestellt. Die spannenderen Erklärungsversuche beruhen auf exotischer Dunkler Materie, exotischer Dunkler Energie, eine Überarbeitung unseres Verständnisses der Schwerkraft oder eines bislang unbekannten Felds oder Teilchens, erklärt Riess. "Banalere" Erklärungsversuche verwiesen dagegen auf mögliche systematische Messfehler. Dafür gebe es dank James Webb nun ein Argument weniger, was vor allem bedeute, dass die "spannenderen Möglichkeiten auf dem Tisch" bleiben, wie der Astrophysiker schreibt.

Die Hubble-Konstante (H0) ist eine fundamentale Größe der Kosmologie. Der Wert weist aus, mit welcher Geschwindigkeit sich ein Objekt in einer Entfernung von einem Megaparsec (3,26 Millionen Lichtjahre) allein aufgrund der Expansion des Universums von uns entfernt (die Andromedagalaxie ist beispielsweise etwa 0,89 Megaparsec von uns entfernt). Erstmals berechnet wurde die Konstante von dem US-Astronomen Edwin Hubble, dessen Namen sie inzwischen trägt. Obwohl die Messungen in den vergangenen Jahren immer genauer wurden, lieferten sie keinen einheitlichen Wert. Zwei Messverfahren ergaben voneinander abweichende Werte, deutlich außerhalb der jeweiligen Fehlerrate. Auch eine gänzlich neue Messmethode hat die mysteriöse Diskrepanz nicht aufgelöst.

Zuletzt haben sich sogar drei Werte für die Hubble-Konstante herauskristallisiert.

(Bild: Wendy Freedman et al.)

(mho)