IBM kauft den Terraform-Anbieter HashiCorp für 6,4 Milliarden US-Dollar
Nach Red Hat und Apptio baut IBM mit der Übernahme von HashiCorp seine Patchwork-Familie für das Cloud-Geschäft weiter aus.
- Dr. Udo Seidel
IBM kauft den auf Werkzeuge für das Cloud-Geschäft spezialisierten Anbieter HashiCorp für 6,4 Milliarden US-Dollar. Unter Berufung auf Insider-Kreise hat die Nachrichtenagentur Reuters IBMs nächste Milliarden-schwere Übernahme bereits am 23. April 2024 angedeutet, inzwischen kam die offizielle Bestätigung von Big Blue.
Die Nachricht sorgt für etwas Überraschung in der Szene. Seit der Übernahme von Red Hat im Jahr 2018 ist IBM jedoch regelmäßig auf Einkaufstour: Erst im vergangenen Jahr hatte der Konzern Apptio für 4,6 Milliarden Dollar gekauft – einen Plattformanbieter für das Management von Geschäftsausgaben und -werten.
Synergieeffekte für das Cloud-Geschäft
Mit der Übernahme von HashiCorp zielt IBM nach eigener Aussage darauf ab, eine umfassende End-to-End-Hybrid-Cloud-Plattform schaffen zu wollen. Dafür bringe HashiCorp die passenden Ressourcen und Fähigkeiten mit, um Synergieeffekte in den ausgewiesenen Wachstumsbereichen rund um Red Hat, Watsonx, Data Security, IT-Automatisierung und Consulting ausschöpfen zu können.
Damit spielt IBM vor allem auf die für das Cloud-Geschäft wichtigen Dienste und Werkzeuge von HashiCorp an – darunter insbesondere Terraform und Vault. Terraform zählt zu den verbreitetsten Infrastructure-as-Code-Tools, mit denen sich Server- und Netzwerk-Infrastruktur automatisiert erstellen, verwalten und wieder abbauen lassen – und zwar unabhängig von der tatsächlichen Infrastruktur darunter. Mit einem lizenztechnischen Richtungswechsel hin zur Business Source License (BSL) 1.1 im vergangenen Jahr hatte HashiCorp allerdings für viel Unruhe im Open-Source-Lager gesorgt.
Zwischen Open Source und Enterprise Business
Im Zuge der Übernahme durch IBM hoffen oder fordern gar einige Stimmen in der Open-Source-Community eine Rückkehr zu freien Lizenzen. Kelsey Hightower, einer der Mitschöpfer der Container-Orchestrierungsplattform Kubernetes, meldete sich spontan auf X zu Wort, mit der Empfehlung an IBM, sämtliche Lizenzen der HashiCorp-Produkte auf die OSS-Lizenz Apache 2.0 umzustellen.
Angesichts von IBMs traditioneller Ausrichtung auf das Enterprise-Geschäft dürften solche Überlegungen allerdings nicht im Vordergrund der Akquisition gestanden haben.
HashiCorps wertvolle Schätze: Vault, Terraform & Co.
Darüber hinaus steht HashiCorp für mehr als Terraform. Das einfache Verwalten von Passwörtern und vergleichbaren Secrets ist seit Mitte der 2010er ein wichtiges Thema, das im Zuge von Zero-Trust-Initiativen noch weiter an Bedeutung gewinnt. Mit Vault gibt HashiCorp IT-Verantwortlichen eine darauf zugeschnittene Plattform an die Hand, die zudem eine Vielzahl von Softwareherstellern unterstützen, und die sich auch unabhängig vom jeweiligen Cloud-Dienstleister einsetzen lässt. Nach Ansicht vieler Experten machen diese Fähigkeiten Vault zu HashiCorps eigentlichen Kronjuwelen.
Vault dürfte HashiCorp daher auch in finanzieller Hinsicht besonders attraktiv für IBM gemacht haben, wie etwa Sören Martius, CEO von Terramate – einer Plattform für das Management von Terraform und OpenTofu –, in seiner kurzen Analyse auf LinkedIn ausführt.
In den zuletzt im März 2024 veröffentlichten Finanzzahlen konnte HashiCorp ein deutliches Plus verkünden. Die Umsätze im Schlussquartal des Geschäftsjahres 2024 beliefen sich auf 155,8 Millionen US-Dollar (plus 15 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal), der Gesamtumsatz 2024 kletterte um 23 Prozent auf 583,1 Millionen US-Dollar. Dem gegenüber steht jedoch ein Nettoverlust (nach GAAP) von 31,6 Millionen US-Dollar für das vierte Quartal.
Die Diskussion rund um Terraform und den von der Linux Foundation adoptierten Terraform-Fork OpenTofu könnten zu den Einbußen im vergangenen Quartal beigetragen haben, zumal Dienstleistungen einen Löwenanteil des HashiCorp-Geschäfts ausmachen. Im Zuge der Übernahme durch IBM dürfte HashiCorp allerdings Zugriff auf das große Netzwerk an Enterprise-Kunden von Big Blue erlangen und sich somit weiteres Wachstum erschließen. Welche konkreten Folgen die Akquisition für HashiCorp, deren Produkte und Kunden, sowie für die Open-Source-Gemeinschaft haben wird, bleibt allerdings abzuwarten.
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