ICANN schmettert Anträge auf Überprüfung des .com-Vertrags ab

Das Reconsideration-Komitee des ICANN-Vorstands verwarf Eingaben der Registrare und des früheren Chefs der ICANN General Assembly. Die Diskussionen während des ICANN-Treffens in Wellington offenbarten, dass auf beiden Seiten die Nerven blank liegen.

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Von
  • Monika Ermert

Eine erneute interne Überprüfung der Vergabe der .com-Domain an VeriSign durch die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) wird es nicht geben. Das für solche internen Überprüfungen zuständige "Reconsideration"-Komitee des ICANN-Vorstands hat den Antrag der Registrare und eine Eingabe des früheren Chefs der ICANN General Assembly, Danny Younger, rundheraus abgeschmettert. Es wird erwartet dass der ICANN-Vorstand in seiner Sitzung am Freitag der Ablehnung folgt. Sobald das US-Handelsministerium zugestimmt hat, ist der Weg für VeriSign als Dauerbetreiber von .com frei.

Den Antrag der 19 vom ehemaligen VeriSign-Unternehmen NSI angeführten Registrare beschied das Komitee damit, dass die ehrenamtlichen Vorstände – anders als beanstandet – sehr wohl die Marktsituation von VeriSign überprüft hätten. Auch die Argumente für und wider die Erlaubnis, die Preise für .com-Adressen zu erhöhen, seien abgewogen worden. Die Verlängerungsmöglichkeiten im neuen Vertrag seien mit denen des alten verglichen worden. Kurzum: Der ICANN-Vorstand habe alles richtig gemacht. Die Registare andererseits hätten selbst keine Details zu fehlenden Informationen geliefert. "Der Antrag kann nicht darlegen – wie er das laut Satzung müsste – wie Informationen, die der Vorstand nicht berücksichtigt hat, sich maßgeblich auf die Entscheidung hätten auswirken können", verkündete ICANN-Direktorin Vanda Scartezini in Wellington,

Schließlich hätten die Registrare die aus ihrer Sicht fehlenden Informationen ja während der Anhörungsphase liefern können, heißt es abschließend in dem Verriss. Gleiches wird auch Danny Younger entgegengehalten, auch er hätte, wie alle anderen, ja Informationen dem ICANN-Vorstand zur Verfügung stellen können. Younger hatte in seinem Antrag zusätzlich gerügt, dass der Regierungsbeirat (GAC) nicht rechtzeitig informiert oder angehört worden sei. Allerdings haben es die Registrare bis jetzt nicht geschafft, den GAC in den .com-Wettbewerbsfragen zum Jagen zu tragen. Im aktuellen Regierungskommuniqué mahnt der GAC immerhin erstmals, dass das ICANN die Entscheidungsgründe besser kommunizieren müsse.

Die Prüfanträge sind aus Sicht des ICANN-Vorsitzenden Vint Cerf ein "Indiz für ein starkes Interesse an mehr Kommunikation und Transparenz". Vint Cerf und einige seiner Vorstandskollegen räumten in Wellington Nachholbedarf in diesen Punkten ein. Ob diese Ankündigung den Registraren ausreicht, oder ob sie, wie gelegentlich angedroht, nun dem Beispiel der "Coalition for ICANN Transparency" folgen und vor Gericht ziehen, bleibt abzuwarten.

NSI-Vizepräsident Jonathan Nevett hatte in der Registrarbeschwerde gerügt, dass die Direktoren die Markt- und Wettbewerbsuntersuchungen des US-Justizministeriums nicht einbezogen hätten. In der Entgegnung des Reconsideration-Komitees heißt es, der "Vorstand sei vom ICANN-Büro über Diskussionen mit dem Justizministerium zu früheren Entwürfen des Vertrags in Kenntnis gesetzt worden". Direkte Gespräche mit dem Justizministerium hat es aber nicht gegeben, räumte der Chef des Büros, ICANN-Präsident Paul Twomey, nach einigem Hin und Her im offenen ICANN-Forum ein. Für sich genommen ist das Eingeständnis eine Spitzfindigkeit – in einem möglichen Gerichtsverfahren könnten solche Details jedoch an Bedeutung gewinnen. Die US-Regierung hat das vorerst letzte Wort.

Deutlich wurde während der Sitzung in Wellington, dass auf beiden Seiten die Nerven blankliegen. Alejandro Pisanty warnte davor, ohne den ICANN-Hausjuristen mit CFIT-Anwalt Bret Fausett zu diskutieren. Internet-Ikone Cerf reagierte überaus gekränkt auf eine kritische Stellungnahme des Gastgebers, der Neuseeländischen Länderregistry InternetNZ: "Wir sind wie unsere kanadischen Kollegen von CIRA sehr besorgt", hatte der Chef von InternetNZ, Colin Jackson, erklärt.

Zum .com-Deal siehe auch:

(Monika Ermert) / (ssu)