Neue Kritik am .com-Deal

Die kanadische Registry CIRA hat der ICANN nach der umstrittenen erneuten Vergabe von .com an VeriSign die Unterstützung aufgekündigt und zeigt sich besorgt über das Abrücken der ICANN von ihren grundlegenden Werten.

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Von
  • Monika Ermert

Die kanadische Registry CIRA (Canadian Internet Registry Authority) hat der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) nach dem .com-Deal vorerst die Unterstützung aufgekündigt – einschließlich finanzieller Zuwendungen. In einem offenen Brief schreibt die für .ca-Adressen veranwortliche Registry, man sei zunehmend besorgt über das Abrücken der ICANN von ihren grundlegenden Werten, und die erneute Vergabe von .com an VeriSign illustriere diesen Trend. Die drei von der CIRA beanstandeten Punkte sind in den Diskussionen um ICANN nicht neu. Die CIRA fordert mehr Transparenz von Entscheidungsprozessen, Fairness unter anderem bei den Auswahlverfahren der ICANN und Verantwortlichkeit gegenüber den verschiedenen von ICANN-Entscheidungen betroffenen Interessengruppen. "Wir halten ein Veto einer 2-Drittel-Mehrheit der ICANN-Gremien (Supporting Organisations) für angebracht", schreibt die CIRA-Führung. Überraschend wirken weniger die Inhalte der Kritik als vielmehr die angekündigten Sanktionen.

Bis der ICANN-Vorstand auf die Bedenken reagiert und Abhilfe schafft, werde die CIRA alle freiwilligen Beiträge an die ICANN stoppen und auf ein Treuhandkonto überweisen. Ferner wollen die Kanadier die Überlegungen zu den Vertragswerken zwischen ICANN sowie den ccTLDs stoppen und keine Gastgeberrolle mehr für ein ICANN-Treffen übernehmen, die die CIRA schon zweimal innehatte. Außerdem will CIRA den Vorsitz in der IANA-Arbeitsgruppe der ccNSO niederlegen, des für die Länderdomains (ccTLDs) zuständigen ICANN-Gremiums. Beim DeNIC in Frankfurt zeigte man sich überrascht von der CIRA-Aktion.

Das DeNIC plane nichts Ähnliches, erklärte seine Chefin Sabine Dolderer gegenüber heise online, auch wenn man den .com-Deal nicht für gut halte. Man wolle die Diskussion um die Legitimation der ICANN nicht neu entfachen. Das DeNIC verhandle derzeit eine einfache gegenseitige Anerkennung zwischen dem DeNIC und den privaten Netzverwaltern, um endlich den Vertragsstreit vom Tisch zu bekommen. Der .com-Deal werde daran nichts ändern.

Allerdings hat das DeNIC auf eine Anfrage des US-Justizministeriums jüngst eigene Bedenken bezüglich der unmittelbar vor dem .com-Deal abgeschlossenen .net-Ausschreibung zu Protokoll gegeben. Die Ergebnisse dieser offiziellen Untersuchungen zur Situation im Registry-Markt wollen auch die Registrare berücksichtigt sehen, die in der Auseinandersetzung förmlich alle Register ziehen: Dem Antrag auf Überprüfung der .com-Entscheidung beim ICANN-Vorstand, dem so genannten Reconsideration Request, haben sich inzwischen weitere Registrare angeschlossen. Sie fordern einen Stopp des Verfahrens. Die Entscheidungen, .com und .net an VeriSign zu vergeben, werden schließlich auch in der noch einmal überarbeiteten Klageschrift der Coalition for ICANN Transparency (CFIT) gemeinsam betrachtet.

Die eigens für das juristische Verfahren gegen den .com-Deal gegründete CFIT erklärt in der erweiterten Klageschrift (PDF-Datei), dass VeriSign im .net-Verfahren einen unfairen Vorteil gehabt habe: Dem Unternehmen sei aus den .com-Verhandlungen bekannt gewesen, dass die ICANN die Preisgrenzen lockern werde. Das habe VeriSign erlaubt, ein günstigeres Angebot zu unterbreiten. "Vor allem hat VeriSign einfach die Zahlen dazu gehabt, wie oft sie für Zehnjahresregistrierungen abkassiert hatte. Wir hätten diese Registrierungen bedienen müssen, ohne von dem Geld noch etwas zu sehen", schildert DeNIC-Chefin Dolderer noch einmal die unfairen Bedingungen. In der kommenden Woche startet das ICANN-Treffen in der neuseeländischen Hauptstadt Wellington. Dort werden die .com-Diskussionen noch einmal hohe Wellen schlagen. Allerdings macht sich laut Beobachtern zunehmend Resignation über den Durchmarsch von VeriSign breit.

Zum .com-Deal siehe auch:

(Monika Ermert) / (ssu)