IGF: Erst das Klima und den Planeten retten, dann das Internet

Aktivisten halten das Internet Governance Forum für eine ideale Plattform, um für den ökologischen Fußabdruck der digitalen Technik zu sensibilisieren.

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IGF: Erst das Klima und den Planeten retten, dann das Internet

(Bild: pan demin/Shutterstock.com)

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Beim Internet Governance Forum (IGF) der Vereinten Nationen, dessen 14. Ausgabe noch bis zum Freitag in Berlin gastiert, geht es vor allem um Anstöße für die Regulierung von Online-Medien. Aktivisten haben das Format, über das möglichst viele Interessensvertreter gemäß dem Multi-Stakeholder-Ansatz eingebunden werden sollen, in diesem Jahr aber erstmals auch im größeren Stil als Ort für den Kampf gegen den gerade vom EU-Parlament ausgerufenen Klima-Notstand ausgemacht. Das IGF sei dafür eine "gute Plattform", konstatierte die Jugendrepräsentantin Lea Rosa Holtfreter. Bislang sei das Thema dort aber unterbelichtet.

Es müsse sichtbarer werden, wo der Strom für die ganzen vernetzten Geräte und die Basisinfrastruktur für das Internet herkomme, forderte die Vertreterin der Zivilgesellschaft. Im Verkehrssektor etwa sei der Ausstoß von Abgasen etwa deutlich augenscheinlicher. "Wir brauchen eine übergreifende Sicht, wie das Internet funktioniert", betonte auch Chris Adams vom Technikerverbund ClimateAction.tech. Klar sein müsse, dass es "nicht mit fossilen Energieträgern betrieben werden" dürfe. Sonst verursachten die Nutzer schon einen irreparablen Schaden, wenn sie eine Datei herunterluden oder Online-Videos anschauten.

"Wir wissen fast nichts über den CO2-Fußabdruck bei der Internetnutzung", monierte Adams. Das World Wide Web Consortium (W3C) habe zwar angefangen, solche Aspekte zumindest anzusprechen. Zudem kämen Tech-Riesen wie Google und Microsoft bei Rechenzentren voran, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Parallel erleichterten Internetfirmen etwa über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) "das Fördern von Öl oder Gas". Viele der Akteure in der Online-Wirtschaft hätten noch nicht verstanden, dass "wir die Emissionen deutlich reduzieren müssen" und jeder Einzelne dafür sein Verhalten ändern sollte.

Christopher Olk von Extinction Rebellion rieb sich angesichts der rauchenden Schlote der Digitalisierung vor allem daran, dass Plattformbetreiber wie Facebook und Google ihre "besten Technologien" nutzten, um den Nutzern auf ihre Interessen zugeschnittene Online-Werbung zu servieren. Es sei dringend nötig, den Hebel bei der datengetriebenen Innovation auf wichtigere Fragen wie vor allem den Klimaschutz umzulegen. Dafür sei es aber nötig, angesichts der existenziellen Krise "die Internetwirtschaft zu demokratisieren".

Marktgetriebene Lösungen funktionierten nicht, erläuterte Olk seinen Appell. Die "Sharing Economy" etwa sei angetreten, um den Bedarf an physikalischen Gütern zu verringern. Die benötigten Apps trieben aber die Nachfrage nach den immer neuesten Smartphone-Modellen, "sodass wir letztlich mehr verbrauchen".

In einem Video-Gruß machten Vertreter von Fridays for Future das Internet gar als "eines der größten Probleme" beim CO2-Ausstoss aus. Andererseits habe die Bewegung nur aufgrund von Online-Kommunikationsmöglichkeiten wie lokalen Chats so stark wachsen können. Man wolle daher nicht, dass das Netz "runtergefahren wird". Aber das ökologische Denken müsse auch in der Tech-Community stärker Fuß fassen.

Andere Workshop-Teilnehmer beklagten, dass es nur eine einzige Veranstaltung auf dem IGF zum Klimaschutz gebe. Die Umweltauswirkungen etwa von Serverfarmen und Unterseekabeln dürften nicht vernachlässigt werden. Dabei gehe es um das Design von und den Zugang zu digitaler Technik sowie Prinzipien der Datenverarbeitung und damit um Punkte "im Zentrum von Internet Governance". Ein Aktivist unterstrich: "Wenn wir wollen, dass das Internet überlebt, muss zunächst der blaue Planet überleben".

Auch im Bereich der sozialen Netzwerke sei der Klimaschutz ein emotional behandeltes Thema, ergänzte Holtfreter vom Jugend-Forum. Die Krise ängstige viele, womit sie aber auch zu einem "leichten Ziel für Desinformationskampagnen" würden. Facebook und Twitter müssten zielgerichtete Werbung mit Falschinformationen zu diesem Gebiet aus ihren Netzwerken verbannen.

Der IGF-Beauftragte von Google, Max Senges, räumte ein, dass man argumentieren könne, Klimaschutz sei die wichtigste Frage für das Überleben der Menschheit. Das Forum verändere sich auch und könnte eventuell tatsächlich ein guter Platz für einschlägige Debatten sein. Zugleich gab er zu bedenken, dass das Internet nicht mehr als zwei Prozent des globalen Energieverbrauchs ausmache. Manchmal sei daher auch eine Fokussierung wichtig. Aktivisten empfahl er, das Internet am besten zu nutzen, "um Leute zusammenzubringen" und zu mobilisieren. (mho)