ILA 2014: Drohnen über Europa sind ein Langzeitprojekt

Auf lange Sicht werden ferngesteuerte Luftfahrtzeuge nicht mit dem bemannten Luftverkehr im gleichen Luftraum unterwegs sein. Die Entwicklung von leistungsfähigen Ausweichsystemen hat noch einen weiten Weg vor sich.

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Von
  • Detlef Borchers
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Ferngesteuerte Drohnen oder gar autonome Großfluggeräte werfen verkehrs- und zulassungsrechtliche Fragen auf, mit denen sich Experten auf der Berliner Luftfahrtmesse ILA auseinandersetzen. Doch ist die Technik noch nicht so weit, dass man ferngesteuerte Flugzeuge ruhigen Gewissens in den Luftraum der Passagiermaschinen lassen könnte.

Dabei ist das Interesse groß. "Wenn sie es dürften, würden Fedex und Co. schon morgen ihre B-747er-Frachtflugzeuge unbemannt durch die Gegend schicken", meint Frank Grimsey von der US Air Force. Der Aufwand, einen solch großen Flieger in ein ferngesteuertes Flugzeug mit etlichen Sensoren und leistungsfähigen Computern umzurüsten, sei relativ gering.

Die Tücken der Technik liegen in der Miniaturisierung von "Sense & Avoid"-Systemen, die in kleinen Drohnen eingebaut werden müssen, damit diese für den allgemeinen Luftverkehr freigegeben werden können. Oder in Hochleistungssystemen für ferngesteuerte Kampfflugzeuge, die Manöver fliegen können, bei denen mitfliegende Menschen getötet würden.

Teilnehmer eines vom Fachjournalisten Thomas Wiegold (Augen Geradeaus!) geleiteten Luftwaffenseminars zeigten sich skeptisch, wann die ersten Drohnen im allgemeinen europäischen Luftraum fliegen können: Vielleicht ab 2025, 2030 oder 2040. Bis dahin darf alles, was als Drohne über 150 kg klassifiziert ist, nur mit Sondergenehmigung in temporär gesperrten Lufträumen oder in ausgewiesenen Militärfluggebieten wie Afghanistan unterwegs sein.

ILA 2014: Drohnen über Europa (4 Bilder)

Sense & Avoid

Auch die Bundeswehr forscht an Sense & Avoid-Systemen.
(Bild: heise online/Detlef Borchers)

Die nüchterne Einschätzung der Experten behindert das Militär nicht unbedingt, wie das aktuelle NATO-Manöver Unified Vision 2014 zeigte: US-amerikanische Global Hawks flogen mit einer Sondergenehmigung in den europäischen Luftraum ein und halfen in Norwegen bei der Aufklärung und Erstellung eines Lagebildes.

Unterdessen hat man im 50 Millionen Euro teuren MidCAS-Projekt die ersten Testflüge mit dem europäischen "Sense & Avoid"-System hinter sich, die zunächst mit einer CASA C-128 der DLR geflogen wurden. Bei den Tests mit einem Piloten, der jederzeit eingreifen konnte, verbrauchten die in 19-Zoll-Racks installierten Computer so viel Strom, dass sie bei den stromzehrenden Starts und Landungen ausgeschaltet werden mussten, berichtete Fabian Morscheck vom DLR. Immerhin ist die Miniaturisierung inzwischen so weit vorangeschritten, dass Ende dieses Jahres in Italien die ersten Tests mit einer Sky-Y-Drohne von Alenia Aermacchi geflogen werden können.

Was die optisch-elektronischen Systeme und Computer bei Sense & Avoid leisten müssen, schilderte Martin Arndt von Diehl BGT Defense. Drei Kameras liefern eine Art Cockpit-Sicht aus Schwarzweißbildern mit 6000 × 1000 Pixel. Der Rechner untersucht anhand der Bilder, ob sich innerhalb acht Kilometern Entfernung ein Flugobjekt entlang der eigenen errechneten Flugroute befindet. Sobald eine Erkennung erfolgt ist, werden Informationen über Anflugwinkel und "Time to Go" an das nächste Computersystem übergeben, das über ein Ausweichmanöver entscheidet.

Nun soll die Drohne wie jedes bemannte Flugzeug die von der ICAO festgesetzen Rules of the Air befolgen. Kurzfassung: liegen zwei Flugzeuge frontal auf Kollisionskurs, muss jeder nach rechts abdrehen; wer vor rechts kommt, hat "Vorfahrt", ein Ausweichmanöver muss geflogen werden. Teilnehmer der MidCAS-Veranstaltung bemängelten, dass in allen Szenarien, bei denen jeweils ein Düsenjet und ein langsames Propellerflugzeug auf Kollisionskurs geschickt wurden, nur das Ausweichen getestet wird.

Zu wenig würde getestet, wie sich eine Situation entwickeln kann, in der die Drohne Vorfahrt hat: Sie würde dann ihren Kurs beibehalten, aber kurz vor einer Kollision im Sinne ders obersten Robotergesetzes handeln und eine Notmaßnahme durchführen müssen. Damit menschliche Flugzeugführer ein derartiges Verhalten nicht einkalkulieren können, dürfe der Transponder die Drohne nicht als solche identifizieren. "Rules of Air" gegen "Laws of Robotics" dürfte also noch zu diskutieren sein. (vbr)