IT-Branche umgarnt den Mittelstand

Auf dem ersten ITK-Mittelstandstag feiert der Bitkom kleine und mittlere Unternehmen als Job-Maschine und Großnachfrager, während er im Koalitionsvertrag noch Nachbesserungsbedarf sieht.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 15 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Der Branchenverband Bitkom hat am heutigen Donnerstag erstmals zu einem Deutschen Mittelstandstag der Anbieter und Anwender von Informations- und Telekommunikationstechnik (ITK) nach Berlin geladen. Bei dem Kongress im Bundeswirtschaftsministerium geht alles darum, dass "erfolgreiche Mittelständler die Erfolge des ITK-Einsatzes aufzeigen", betonte Bitkom-Vizepräsident Heinz Paul Bonn vor Tagungsbeginn. "Mittelständler arbeiten sehr stark referenzbezogen", weiß der Vorstand der GUS Group AG aus eigener Erfahrung. Unternehmer wie Ralph Dommermuth, Vorstand der United Internet AG, würden daher in Vorträgen und Workshops zeigen, "wie man mit Zuversicht und Mut Arbeitsplätze schaffen kann". Gleichzeitig soll den Verantwortlichen im Mittelstand die eigene Nachfragemacht vor Augen gestellt werden: "Mittelständische Unternehmen sind als die derzeit wichtigste Kundengruppe erkannt", betonte Bonn. ITK-Konzerne würden ihre Produkte und Dienstleistungen immer stärker an deren Bedürfnisse anpassen.

Der Mittelstand stehe aber nicht nur im Zentrum der Verkaufspläne der Branche, sondern auch im "Fokus der Politik", sagte der Bitkom-Vize. "Er ist Wachstumsmotor, Job-Maschine und Ausbildungszentrum", da die rund 3,3 Millionen Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern und 50 Millionen Euro Umsatz in Deutschland fast 80 Prozent der Arbeitsplätze, etwa 82 Prozent der Ausbildungsplätze stellen und fast die Hälfte der Bruttowertschöpfung erwirtschaften würden. Auch die mittelständische ITK-Branche werde ihren Teil zu den Erfolgen beitragen: Laut einer Bitkom-Umfrage in den eigenen Reihen wollen 56 Prozent der vertretenen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) 2006 zusätzliche Jobs generieren und nur 13 Prozent Arbeitsplätze streichen. Die IT-Realität im Mittelstand stimmte Bonn aber noch bedenklich: Er beklagte, dass bei fast der Hälfte der KMU Hardware wie Software älter als drei Jahre seien. Um den attestierten Nachholbedarf zu stillen, sieht Bonn den Mittelstandstag auch als "Brücke" zu Branchenevents wie der CeBIT, die im kommenden Jahr mehr denn je das mittelständische Publikum anziehen will.

Die räumliche Nähe zur Berliner Politik nahm der Bitkom-Vize zum Anlass, um den Koalitionsvertrag auf eine mittelstandsgerechte IT-Politik hin abzuklopfen. "Die neue Bundesregierung muss sich zum Wohl der Allgemeinheit gegen die Interessen Einzelner und durchaus auch gegen den Protest von hoch bezahlten Berufslobbyisten durchsetzen", schickte er zwar vorweg. Dieser Wunsch hielt ihn aber nicht davon ab, eine Reihe guter Ratschläge seiner Lobbygruppe aufzuzählen. Scharf kritisierte Bonn etwa die geplante Mehrwertsteuererhöhung, da es sich gerade Hardware- und Telekommunikationsanbieter nicht leisten könnten, diese "an die Verbraucher weiterzugeben". Eine "grundlegende Steuerreform zur Entlastung des Mittelstands" sei noch vor 2008 nötig.

"Die Maßnahmen im Arbeitsrecht sind ebenfalls weit davon entfernt, den Anforderungen der Wirtschaft gerecht zu werden", merkte Bonn weiter an. Die vereinbarte Verlängerung der Wartezeit zum Kündigungsschutz auf 24 Monate ergebe keinen Sinn, bringe sogar Nachteile, "weil gleichzeitig die befristeten Arbeitsverhältnisse eingeschränkt werden". Diese seien bei der stark projektorientierten ITK-Branche aber gang und gäbe. Künftig müssten die Unternehmen Mitarbeiter unbefristet einstellen und ihnen spätestens nach zwei Jahren kündigen. Dies sei dem Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern nicht förderlich, schloss sich der Bitkom-Vertreter teilweise Bedenken von Gewerkschaften an. Gänzlich gegen eine Lockerung des Kündigungsschutzes ist sein Verband aber nicht. Er hält es für sinnvoll, die Möglichkeiten der Befristung von Arbeitsverträgen auszudehnen. Zudem fordert er eine Unterstützung des Wagniskapitalsektors der Bundesregierung, da Banken den Bedürfnissen der Mittelstands immer weniger nachkämen. (Stefan Krempl) / (anw)