IT-Branchenverband will EU-Fernsehrichtlinie zurechtgestutzt wissen

Der Bitkom hat konkrete Änderungsvorschläge für die umstrittene Novelle der Direktive "Fernsehen ohne Grenzen" vorgelegt, in denen er sich gegen strikte Regulierungsversuche von Online-Diensten und Blogs ausspricht.

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Der Branchenverband Bitkom hat seine Kritik an den umstrittenen Plänen der EU-Kommission zur Novelle der Fernsehrichtlinie untermauert und in einem 30-seitigen Papier umfangreiche Änderungen an dem Entwurf vorgeschlagen. Die Eingabe, die im Rahmen einer bis zum morgigen Freitag in Brüssel stattfindenden Anhörung des EU-Parlaments zur Reform der Direktive erfolgt, fordert die komplette Streichung mehrerer Artikel im Grundriss zur Überarbeitung der Richtlinie. Insbesondere macht sich der Verband gegen die geplante Ausweitung des Anwendungsbereiches der Direktive auf neue, nach Ansicht des Bitkom bereits in der E-Commerce-Richtlinie geregelte Online-Dienste stark. Durch eine solche "Doppelregulierung" werde "in hohen Maße das Wachstum" dieser Angebote gefährdet, die sich "in ihrem Wesen deutlich vom Rundfunk unterscheiden".

Konkret plädiert der IT-Verband etwa für eine Klarstellung, dass der Begriff der unter die Richtlinie fallenden audiovisuellen Mediendienste nicht auf unkommerzielle Tätigkeiten wie das Betreiben "privater Webseiten, Blogs oder andere vom Nutzer generierte Inhalte" ausgedehnt werden soll. Diese würden "üblicherweise nicht gegen Entgelt angeboten" und würden das von der Kommission selbst ins Spiel gebrachte Ausschlusskriterium der "Wirtschaftlichkeit" nicht erfüllen. Sie müssten daher "von den strengen Regelungen der Richtlinie ausgenommen" werden. Gleiches habe für halb private Angebote wie Informationen lokaler Vereine oder Schulveranstaltungen, die als Bewegtbild ins Internet gestellt werden, zu gelten.

Generell scheinen dem Verband wichtige Definitionen wie die vorgeschlagene Abgrenzung zwischen stärker regulierten linearen Vollprogrammdiensten und "nicht-linearen" Services wie Video on Demand im Entwurf zu vage. So will die Lobbyvereinigung darauf hinarbeiten, dass "nicht allein das Angebot nicht-linearer Dienste für die Öffentlichkeit zu einer Klassifizierung als Massenmedium führen kann." Das wesentliche Element der Abgrenzung sollte das Angebot für die Allgemeinheit sein und somit auf die "potenzielle öffentliche Verfügbarkeit" abstellen. Angesichts der "großen Auswahl- und Steuerungsmöglichkeiten des Nutzers" im Internet würde es etwa nahe liegen, neue Dienste wie "Wiederholungsschleifen von Inhalten oder die Live-Übertragung einzelner Ereignisse" als nicht-lineare audiovisuelle Mediendienste zu definieren.

Für das Feld der nicht-linearen Bewegtbilder will der Bitkom Regulierungsausnahmen durchsetzen. Insbesondere sei darauf "eine Ausdehnung der Quotenvorgaben des klassischen Fernsehens bereits im Ansatz nicht übertragbar." Auch eine Notwendigkeit zur Förderung europäischer Inhalte bei nicht-linearen Diensten bestehe nicht. Zudem gehöre in diesem Bereich Sponsoring etwa mit einem Link zu Produkt- oder Dienstleistungsangeboten zu den "üblichen und vom Nutzer auch akzeptierten Werbeformen" und müsse daher gemeinsam mit der Produktplatzierung im Gegenzug zur Einführung einer allgemeinen Kennzeichnungspflicht erlaubt werden.

Generell schlägt der Verband vor, das Gebot der Trennung zwischen redaktionellen Inhalten und Werbung "durch den Grundsatz der Erkennbarkeit und Transparenz" zu ersetzen. Die vorgesehene stündliche Begrenzung der Werbedauer für Werbe- und Teleshopping-Spots sei "entbehrlich". Auch bei TV- und Kinospielfilmen seien angesichts des starken Wettbewerbs zwischen den Anbietern keine quantitativen Werberestriktionen mehr gerechtfertigt.

Darüber hinaus bringt der Bitkom ins Spiel, dass Provider, die Inhalte Dritter nur bündeln oder weiterverbreiten, nicht als Mediendiensteanbieter gelten und somit nicht von den Regulierungsauflagen erfasst werden sollen. Strikt wendet sich der Verband gegen die vorgesehene Klausel, wonach der Zugang zu Ereignissen, "die von großem öffentlichen Interesse sind und die von einem ihrer Rechtshoheit unterliegenden Fernsehveranstalter übertragen werden", für die Kurzberichterstattung TV-Produzenten in anderen Mitgliedstaaten nicht verwehrt werden soll. Ein "solcher Eingriff in das Eigentum der Rechteinhaber" sei nicht gerechtfertigt. Die Passage zur Förderung von Modellen zur Co-Regulierung der Anbieter will der Bitkom um Selbstregulierungsansätze ergänzt wissen.

Anders argumentieren erneut EU-Abgeordnete der Grünen im Umfeld der Anhörung. Angesichts der technischen Entwicklung ist die Ausweitung des Anwendungsbereichs auf neue Mediendienste ihrer Ansicht nach sinnvoll. Bestimmte Vorgaben im Bereich des Jugendschutzes, der Menschenwürde oder hinsichtlich des Umfangs von Werbeeinblendungen müssten zukünftig für alle Medien und Übertragungswege gelten. Der Konsument erwarte zu Recht, dass er auch beim Griff zum Mobiltelefon, zur Spielkonsole oder zum Digital-Receiver "von unliebsamen und versteckten Werbebotschaften" verschont bleibt. Die Ausweitung der Regulierung müsse aber auf die technischen Besonderheiten der neuen Medien ebenso Rücksicht nehmen wie auf die Presse- und Meinungsfreiheit. Eine Freigabe von Produktplatzierungen wollen die Grünen verhindern.

Zu den Diskussionen um die neue Fernsehrichtlinie der EU siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)