IT-Gipfel 2009: Von intelligenten Netzen zur Internet-Strategie

Die IT-Branche hat hohe Erwartungen an das zum vierten Mal stattfindende Spitzentreffen von Politik und Wirtschaft. Sie rechnet mit einem positiven Signal für die elektronische Gesundheitskarte und Leitlinien zur Netzpolitik, die in Berlin jetzt ganz oben auf der Agenda steht.

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Die IT-Branche hat hohe Erwartungen an den 4. nationalen IT-Gipfel, der dieses Jahr am 8. Dezember in Stuttgart über die Bühne geht. Für unbedingt erforderlich hält der Präsident des IT-Verbands Bitkom, August-Wilhelm Scheer, dass wieder Bewegung in die Debatte über die elektronische Gesundheitskarte kommt. "Wir brauchen ein positives Signal", sonst sei das umkämpfte IT-Großprojekt "tot", erklärte der Unternehmer am heutigen Freitag in Berlin. Gefordert seien "klare Aussagen" zur künftigen politischen Linie bei der Vernetzung des Gesundheitswesens.

Scheer räumte ein, dass viele Ärzte bei der Anwendung des E-Rezeptes im Rahmen des Projekts auf technische Probleme gestoßen seien und dieser Teil zunächst ausgeklammert werden sollte. Auch die Organisationsstruktur, an deren Spitze die von häufigen Geschäftsführerwechseln geplagte Gematik steht, müsse überprüft werden. Insgesamt brächte das ins Stocken gekommene Vorhaben aber Vorteile für die Kassen, die Ärzte und die Patienten. Das vielfache Gegenargument "Datenschutz" bezeichnete der Verbandschef als "vorgeschoben": Die Smart Card verschaffe dem Bürger eine bessere Hoheit über seine Patienteninformationen, als dies im aktuellen, vielfach noch analog ausgerichteten System der Fall sei. Die Formulierung im Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb, wonach zunächst eine Bestandsaufnahme durchgeführt werden solle, interpretierte Scheer dahingehend, dass eine entsprechende Evaluation "parallel" zur weiteren Implementierung des Projekts erfolge.

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist für den Bitkom nur ein Stichwort unter dem Aufhänger einer groß angelegten "Zukunftsinitiative Intelligente Netze", unter dem das diesjährige Spitzentreffen von Staat und Wirtschaft stehen soll. Weitere Stichwörter dabei sind die viel beschworenen "Smart Grids" zur Energieversorgung, um "Green IT" mit Leben zu erfüllen und den Klimawandel zu bekämpfen, sowie der Aufbau von Bildungs-, Behörden- und Verkehrsnetzen. Scheer forderte in diesem Zusammenhang etwa eine bundesweite Initiative für E-Learning. Benötigt würden unter Führung des Bundes und der Wahrung der Mitspracherechte der Länder Standards für technische Infrastrukturen und einheitliche didaktische Konzepte für den Schuleinsatz. Bestehende Insellösungen bei Hochschulen seien miteinander zu verkoppeln und mithilfe "fachlich exzellenter Lernmodule" voranzubringen.

Zur Stärkung der "Elektromobilität" zeigte sich der Bitkom-Chef zugleich offen für die umstrittene Einführung einer Pkw-Maut. Bedingung dafür sei aber, dass diese mit intelligenten Verkehrsdiensten verknüpft wäre. So könne er sich persönlich etwa vorstellen, für die Hinführung an und die Zuweisung eines Parkplatzes in einem Stadtzentrum einen Sondergroschen zu zahlen. Insgesamt sei es wichtig, die Netzinfrastrukturen auf allen Ebenen voranzubringen und dabei Möglichkeiten für Synergien etwa beim Einsatz von Leerrohren verschiedener Versorger zu nutzen.

Weiter rechnet der Bitkom mit der Ankündigung einer netzpolitischen "Internet-Strategie" der Bundesregierung auf dem Gipfel. Derzeit gebe es noch Gerangel zwischen den Ministerien für Inneres, Wirtschaft und Justiz über die Federführung und Richtungsweisung, aber generell sei die Regulierung des Internet spätestens sei der kontroversen Debatte über Web-Sperren im Kampf gegen Kinderpornographie und dem Achtungserfolg der Piratenpartei bei den Bundestagswahlen im September weit oben auf der Agenda der Politik gelandet. Scheer wertete es dabei als Leistung der "Internet-Community", dass diese "aufgestanden" sei und letztlich das Ruder beim Zugangserschwerungsgesetz habe herumwerfen können. Andernfalls wäre es seiner Ansicht nach zu einem Glaubwürdigkeitsverlust gekommen, wenn Vertreter der Bundesregierung etwa in China Zensurmaßnahmen erneut angeprangert hätten.

Als einen wichtigen Punkt einer Internet-Strategie nannte Scheer Anpassungen beim Urheberrecht. Die Buchdruckmaschine habe das Copyright hervorgebracht, nun werde es mit dem Internet eine weitere Basistechnologie "stark verändern", meinte der Verbandsvertreter. Inhalte für die Netze würden zwar weiter gebraucht, führte er aus. Für ihre Finanzierung müssten aber "neue Geschäftsmodelle" geschaffen werden. Er sei sich nicht sicher, ob es die Medienbranche schaffe, sich weiter über den Verkauf von Inhalten und Werbung zu finanzieren. Der Bitkom betrachtet die von Zeitungs- und Zeitschriftenverlegern geforderte Einführung eines Leistungsschutzrechts fürs Internet genauso skeptisch wie die bestehenden Vergütungspauschalen fürs private Kopieren. (vbr)