Nutanix-CEO zum VMware-Chaos: Einfach Preise erhöhen? Kann nicht funktionieren
Broadcoms VMware-Umstellungen haben viele Kunden verprellt. Im Interview erklärt Nutanix-Chef Rajiv Ramaswami, warum er auf langfristige Kundenbeziehung setzt.
- Jens Söldner
Seit der Übernahme von VMware durch Broadcom herrscht Unsicherheit im Markt für Virtualisierung und Private-Cloud-Plattformen. Mehrere Hersteller versuchen aktuell, unzufriedene Kunden mit ihren Alternativen zu überzeugen. Das US-Unternehmen Nutanix konkurriert dabei schon seit Längerem mit VMware. Nutanix hat sich in den letzten Jahren vor allem als Spezialist für Enterprise Cloud einen Namen machen können und setzt bislang auf eine andere Architektur. Im Nachgang der Hausmesse .next des Herstellers konnte die iX ein ausführliches Interview mit Dr. Rajiv Ramaswami, dem CEO von Nutanix, führen.
iX-Redaktion: Mit seinem VMware-Umbau hat Broadcom den Markt aufgewirbelt, viele Kunden schauen nach Alternativen. Wie groß ist der Ansturm bei Nutanix?
Rajiv Ramaswami: Wir sehen tatsächlich ein starkes Interesse von Kunden, die gerade die Situation bewerten und sich überlegen, wie sie ihr Risiko reduzieren und Partner und Hersteller finden können, die ihnen auch in Zukunft weiterhelfen. Das Interesse an uns ist aktuell sehr groß. Wir bewerten das als eine Art Rückenwind, der uns mehrere Jahre lang begleiten dürfte, da es uns mehr und mehr Kunden bringt, die an unserem Portfolio interessiert sind. Eine tolle Gelegenheit für uns, diesen Kunden bei der Weiterentwicklung ihrer IT-Strategie zu helfen.
Jetzt müssen wir uns aber auch bewusst machen, dass IT-Infrastruktur schon auch sehr "sticky" sein kann. Auch wenn viel Interesse seitens der Kunden da ist, bedeutet das nicht automatisch, dass jeder Kunde sofort migrieren kann. Das braucht Zeit. Und einige Faktoren spielen hier zudem rein: Nutanix hat eine hyperkonvergente Architektur, bei der die Speicher- und die Serverfunktionen direkt vereint sind. Das kann natürlich für viele Kunden eine große Umstellung im Aufbau ihrer Rechenzentrumsarchitektur bedeuten, wenn sie von – wie wir es nennen – einer klassischen "3-Tier-Architektur" kommen, also von separatem Compute, Storage und Netzwerk hin zu einer hyperkonvergenten Architektur.
Das bringt also typischerweise einen gewissen Hardware-Refresh mit sich – die Kunden müssen bereit sein, etwas Geld auszugeben für neue Hardware, um diesen Architekturwechsel zu vollziehen. Der zweite Aspekt ist, dass viele Kunden ein Zeitfenster bis zu ihrer nächsten Vertragsverlängerung haben. Das Zeitelement kommt also auch als Faktor bei einer Migration und der dafür notwendigen Planung und Vorbereitung mit ins Spiel. Und letztlich würde ich sagen: Da ist auch ein gewisser Trägheitseffekt vorhanden – man war es viele Jahre lang gewohnt, die Dinge auf eine gewisse Art zu machen. Und jetzt kommt eine Marktdisruption ins Spiel, was jetzt jeden dazu zwingt, die Dinge zu überdenken. Es ist ja nicht die Technologie – es ist eine Markterschütterung und das treibt den Prozess des Umdenkens natürlich an.
Und aus technischer Perspektive? Ich denke schon, dass man nun gezwungen ist, mehrere Umstellungen vorzunehmen, die man sonst nicht gleichzeitig gemacht hätte, wie einen Herstellerwechsel und einen Architekturwechsel auf hyperkonvergente Systeme zum gleichen Zeitpunkt. Das sind die verschiedenen Faktoren, die hier ins Spiel kommen. Aber aus meiner Sicht besteht kein Zweifel daran, dass wir wohl eine der einfachsten Alternativen darstellen für Kunden, die an einer langfristigen Lösung interessiert sind.
Doch nicht nur Hyperkonvergenz?
Dazu gleich eine Rückfrage: Ihr Lizenzmodell ist vergleichbar mit dem von Broadcom, es ist auch ein Abo-Modell – und es gibt keine Kauflizenzen?
Das stimmt, wir haben diese Änderungen schon vor einiger Zeit vollzogen. Unser Geschäftsmodell ist zu 100 Prozent auf Subskriptions-Basis und unsere Kunden sind damit ziemlich glücklich. Unser Net Promoter Score liegt kontinuierlich bei 90 [Anmerkung der Redaktion: Der Net Promoter Score ist eine Kennzahl zur Messung der Kundenzufriedenheit mit einem Wertebereich von -100 bis +100].
Sie hatten angekündigt, dass Nutanix in Zukunft für eine breitere Marktdurchdringung ein externes Storage-System von Dell unterstützen wird. Das ist ja ein gewisser Bruch mit der ursprünglichen Nutanix-Architektur, ausschließlich auf Hyperkonvergenz zu setzen. Aktuell kann man sonst keine SAN-Systeme auf Fiber Channel oder iSCSI-Basis oder NAS-Systeme auf NFS-Basis mit Nutanix verbinden?
Das ist richtig, aber wie Sie schon angedeutet haben, passen wir unsere Herangehensweise aktuell aus gutem Grund an. Bislang hatten wir auf Hyperkonvergenz gesetzt, ein Konzept, das wir selbst mit erfunden haben, also das Zusammenlegen von Compute und Storage, um alles in einer einfachen Architektur zu haben. Unsere Strategie war es, die existierenden 3-Tier-Architekturen im Rechenzentrum mit unserem vereinfachten Modell zu ersetzen. Jetzt gibt es allerdings eine signifikante Änderung im Markt, Kunden fragen sich: Wie kann ich schnell eine Alternative finden und meine bisherige Hardware weiterverwenden, ohne diese große Architekturänderung zu vollziehen? Das ist natürlich eine große Veränderung, die sich erst vor Kurzem ergeben hat.
Lieber langfristige Kundenbeziehungen
Auch in anderen Aspekten haben wir es einfacher gemacht. Wir können Compute Cluster unabhängig von Storage Clustern betreiben. Und Kunden wollen natürlich ihre bestehende Serverhardware weiterverwenden. Wir sind jetzt auch in der Lage, einen großen Teil der für VMware vSAN gebauten Serverhardware weiterzuverwenden. Das hilft Kunden, mit ihrer bestehenden Hardware weiterzuarbeiten, ohne in neue Hardware investieren zu müssen. Das sind alles Beispiele, wie wir daran arbeiten, unseren Kunden zu helfen, damit diese keinen kompletten Hardwaretausch vornehmen müssen.
Aber, um es noch mal zu betonen: Unsere Unternehmensmission ist es immer noch, eine moderne Cloud-Architektur anzubieten, die einfach ist, die Commodity-Hardware verwendet und die Software verwendet, um die komplette Infrastruktur zu verwalten. Ganz so, wie es die Public-Cloud-Anbieter auch machen.
Hauptkritik an Broadcoms VMware-Strategie sind die teils enorm gestiegenen Lizenzkosten. Wie kann Nutanix verhindern, dass Kunden nach einem Wechsel vom Regen in die Traufe kommen?
Wir sind ein unabhängiges Unternehmen und stellen den Kunden ins Zentrum. Und wir denken langfristig, wir sind nicht hier für kurzfristige, einmalige Geschäftsbeziehungen. Aktuell sind wir ein Unternehmen mit zwei Milliarden US-Dollar Umsatz und ungefähr 25.000 Kunden. Wir sehen viele Möglichkeiten, unser Wachstum fortzusetzen, indem wir neue Kunden an uns binden, uns das Vertrauen erarbeiten und gleichzeitig mit unseren bestehenden Kunden auch weiter wachsen. Rund 1000 der größten 2000 Firmen der Welt sind bereits unsere Kunden. Als unabhängiges Unternehmen müssen wir sicherstellen, dass unser Erfolg und der Erfolg unserer Kunden miteinander verknüpft sind. Und das kann nicht funktionieren, wenn wir einfach unsere Preise erhöhen würden. Dann würde die Zuneigung unserer Kunden zu uns abkühlen und ihre Motivation würde nachlassen, langfristig auf uns zu setzen.
Als unabhängiges Unternehmen ist es das, worauf wir uns fokussieren. Wir wollen die Plattform sein, auf denen Unternehmen ihre Applikationen laufen lassen können, nicht nur ihre heutigen, sondern auch die von morgen, über die nächsten fünf bis zehn Jahre.
Großkunden klopften zuerst an
Ein großer Vorteil der neuen VMware-Lizenzen ist das deutlich vereinfachte Modell sowie die Portabilität. Welche Pläne hat Nutanix, um hier mitzuhalten?
Wir hatten schon immer portable Lizenzen. Als wir mit unserem ersten Cloud-Angebot, Nutanix NC2 auf AWS und Azure online gegangen sind, waren unsere Lizenzen vom ersten Tag an übertragbar. Als wir auf ein Subskriptionsmodell umgestellt haben, war sofort klar, dass unsere Lizenzen übertragbar sein müssen, von der eigenen Hardware auf die Public Cloud, oder umgekehrt.
Und wenn Sie sich unser Angebot anschauen – wir haben die Nutanix Cloud Infrastructure, wir haben Nutanix Cloud Management und wenn Sie die beiden kombinieren, haben Sie die Nutanix Cloud Platform. Es ist also sehr einfach: alles, was Sie brauchen, um eine Cloud aufzubauen und eine Cloud zu betreiben. Das ist einer der Punkte, die unsere Kunden so schätzen: Sie mögen die Einfachheit unserer Produkte, sowohl von der Einkaufssicht aus als auch vom Betrieb der Infrastruktur her.
Broadcom richtet seine Lizenzstrategie explizit an wenigen Großkunden aus. Welche Angebote kann Nutanix kleinen und mittleren Unternehmen machen, die sich vielleicht die Einstiegslizenzen von VMware angesehen haben? Und welche Unternehmen melden sich momentan vor allem bei Ihnen – die KMUs oder die Großkunden?
Historisch gesehen liegt der Sweet-Spot von Nutanix bei mittleren und größeren Unternehmen aus dem Mittelstand sowie kleineren Konzernen. Inzwischen können wir mit unserem Portfolio aber die komplette Bandbreite abbilden, von kleineren Kunden, die nur wenige Server benötigen, bis hin zu sehr großen Kunden, die vielleicht Tausende von Servern in Clustern einsetzen. Wir haben für KMUs eine sehr einfache Möglichkeit eingeführt, eine komplette Infrastruktur mit ein bis zwei Administratoren verwalten zu können. Es ist immer noch HCI, aber es ist wirklich alles in einem. Man bekommt Compute, man bekommt Storage, man bekommt Netzwerkvirtualisierungsfunktionen und kann sehr klein starten.
Über die Jahre ist unser Produktportfolio auch umfangreicher geworden. Wir hatten schon immer viele Enterprise-Features und heute sind unsere Produkte geeignet, auch die Bedürfnisse von sehr, sehr großen Kunden zu erfüllen. Auf unserer .next Konferenz haben ja einige von ihren Erfahrungen berichtet. Und die großen Kunden waren jetzt auch die ersten, die zu uns gekommen sind, weil sie sehr gut verstehen, was bei solchen Markterschütterungen passieren kann. Sie haben das in der Vergangenheit schon mehrfach erlebt und ihre Erfahrungen gemacht. Bei den großen Kunden geht es oft auch um eine zweigleisige Strategie, um Dual Stacks. Sie können möglicherweise nicht komplett rausmigrieren, aber sie können uns als guten zweiten Hersteller einsetzen.
Aber ironischerweise kommen nun auch kleinere Kunden, die zunehmend vernachlässigt werden. Das passiert erst jetzt, weil ihnen oft die Erfahrungen fehlten, um abzusehen, was passieren wird. Nun wird auch dieser Kundengruppe klar, was los ist. Und sie überlegen sich, was sie tun müssen. Was ist der Plan B? Auch für diese Fälle können wir eine komplette Migration anbieten.
Standalone Hypervisor erst nächstes Jahr
Wann wäre denn mit diesem Standalone Hypervisor zu rechnen? Dieses oder nächstes Jahr?
Möglicherweise nächstes Jahr. Das Produkt, das Dell PowerFlex unterstützt, wird im Early Access Beta Programm voraussichtlich Ende des Jahres getestet werden können. Folglich kommt es erst einige Zeit danach auf den Markt. Ich kann also keinen genauen Zeitpunkt angeben oder eine sonstige verbindliche Aussage dazu treffen, aber wir haben vor, einen Standalone Hypervisor zu entwickeln, der mit Speichersystemen von Drittanbietern zusammenarbeiten kann. Über die Zeit möchten wir das Repertoire an Features, die das Produkt anbietet, erweitern.
Die Kritik an Broadcom hängt sich vor allem an den Lizenzen auf – aber wie kann Nutanix denn bislang zufriedene VMware-Kunden auch technisch überzeugen?
Unsere Highend-Infrastruktur umfasst zum Beispiel Mikrosegmentierung und Overlaynetzwerk. Wir bilden hier eine große Menge der grundlegenden Anforderungen an Netzwerkvirtualisierung mit der Plattform ab. Unser Cloud-Management-Angebot umfasst auch Nutanix Cloud Automation, das vorher Nutanix Calm hieß. Damit lässt sich die Automatisierung von Applikationen über Blueprints bewerkstelligen. Von der technischen Seite her, haben wir heute einen Full Stack, der alles beinhaltet, um Clouds aufzubauen und zu betreiben. Und genau dafür haben wir über die Jahre unser Portfolio weiter aufgebaut. Gleichzeitig haben wir uns darauf fokussiert, die administrativen Abläufe überschaubar zu halten, also dass es einfach zu installieren und Features leicht einzurichten sind. Wer unser Netzwerkvirtualisierungsprodukt Flow testen möchte, sieht, wie unkompliziert es ist, es einzuschalten und Firewall-Regeln zu nutzen. So etwas könnten Sie sehr schnell in den Produktivbetrieb bringen. Wir investieren gleichzeitig massiv in unsere Zukunft aus der Plattformperspektive heraus.
Wir investieren in moderne Applikationen, wir investieren in GenAI. Unsere Vision: Wir möchten die Plattform für die nächsten fünf bis zehn Jahre fit machen, nicht nur für heute. Als Technologiefirma darf man nicht stehen bleiben.
Herr Ramaswami, vielen Dank für die Antworten. Das Interview haben wir auf Englisch geführt und übersetzt.
(axk)