Imagine Cup: Ist Inspiration alles?

Junge Amerikaner zu ordentlichen Programmierern auszubilden, sei schlicht zu teuer, meinte der Chef eines indischen Outsourcing-Unternehmens und Microsoft-Partners. Microsofts Chief Software Architect Ray Ozzie scheint da ganz anderer Ansicht zu sein.

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Von
  • Detlef Borchers

Für den silberhaarigen Microsoft-Grandseigneur Ray Ozzie ist Inspiration alles. Beim Gang durch die Boxengasse des "Imagine Cup", in der die teilnehmenden Programmierer-Teams ihre Projekte vorstellen, läßt sich der Chief Software Architect die Arbeiten detailliert vorführen und freut sich, dass Software ein formbares Medium (pliable medium) ist, "in dem Träume eine Gestalt annehmen können."

Bei dem von Microsoft ausgerichteten Studenten-Wettbewerb Imagine Cup treten in den Endspielen 15 Teams in den Sparten Game Development, Embedded Design und Software Design an, um den Sieger zu ermitteln. Insgesamt 108 Teams mit 444 Studenten aus 124 Ländern reisten dafür in die ägyptische Metropole. Das deutsche Team The Liaisoners schied bereits in den Vorrunden aus.

It Smells Like Teen Spirit witzelte ein Teilnehmer, als Ray Ozzie mit seinem Tross durch den Showroom zog. Keine Frage: Was auf dem Imagine Cup gezeigt wird, soll die Welt retten oder mindestens ein paar Millenium-Ziele ins Visier nehmen. Dabei sind auch "einfache Lösungen" hoch willkommen. Auf der Pressekonferenz nannte Ozzie die immer billiger werdenden Netbooks als Beispiel für Rechner, die sich weltweit verbreiten. Auch für diese leistungsschwacheren Geräte müssten neue, inspirierende Anwendungen gefunden werden.

Ozzies Loblied auf die junge Generation kommt nicht von ungefähr. Vor wenigen Wochen äußerte sich der Inder Vineet Nayar, Chef des Outsourcing-Unternehmens HCL in einem Vortrag in New York sehr negativ über die Leistungen amerikanischer Programmierer, die mit einem College-Abschluss in der Software-Entwicklung anfangen. Sie seien disziplinlos, hätten kein Gefühl für die langweiligen technischen Details und seien obendrein noch unbelehrbar. Sein Fazit: Junge Amerikaner zu ordentlichen Programmierern auszubilden, sei schlicht zu teuer. Nun ist HCL nicht irgendein indischer Sweatshop, sondern ein wichtiger Partner von Microsoft, bei dem 600 Programmier allein für die Redmonder Zentrale arbeiten. Nach einem Bericht der indischen Zeitung Economic Times bekommt HCL 170 Millionen Dollar von Microsoft.

Auf Nayars Frontalangriff reagierten amerikanische Firmen ausgesprochen gereizt. Horror-Geschichten von fehlgeschlagenen Outsourcing-Projekten machten die Runde, doch es gab auch andere Stimmen. So meinte der zum Journalisten konvertierte Programmierer Neill McAllister in seinem Blog, dass die "amerikanische Hacker-Ethik" ein echter Stolperstein für junge Leute ist. Anstelle die Grundlagen der Software-Entwicklung zu büffeln, begeisterten sich junge Leute viel zu sehr an den Dönekens vergangener Zeiten, als ein Bill Gates oder ein Ray Ozzie unbeirrbar ihren Weg gingen und dabei unermesslich reich wurden. Träume und Inspirationen seien ja ganz nett, aber methodologische Entwicklungslehren, Six Sigma und ITIL seien wichtiger.

Wer will, kann den Imagine Cup 2009 als Antwort auf die indisch-amerikanische Debatte lesen. Rohit Kadam, Ashwin Kadkol, Prashant Hegde und Vishvesh Khisty: Das sind die amerikanischen Finalisten vom Team PARV. Sie kommen aus Indien oder haben zumindest indische Eltern, die in die USA zogen. Sie haben einen Verkaufsautomaten entwickelt, der Paracetamol, Aspirin, Kondome und Pflaster verkauft. Die Idee soll der Pharmaindustrie nahegebracht werden, die Medikamente in Entwicklungsländern absetzen will. Mit Mike Burr ist ein "echter" Amerikaner Finalist, das aber in der Prüfungs-Sparte "IT-Challenge", in der viel technisches Wissen gefragt ist. Dort findet sich auch das Statement von Chang Wu aus China: "I have a dream to make a new giant like Microsoft and IBM born in China." Um das zu schaffen, büffelt sich Wu durch diverse Examen. Programmieren und Inspirationen haben, das sei Sache der anderen, die keine Firma aufbauen wollen.

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(Detlef Borchers) / (jk)