Bitkom: Einsparpotenzial von 64 Megatonnen CO₂ in Deutschland

Laut Bitkom setzen über 50 Prozent der Unternehmen auf KI, IoT und digitale Zwillinge. Viele Firmen bemängeln aber die Regierungs-Bemühungen in diesen Sektoren.

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Hannover Messe

(Bild: Miha Creative / Shutterstock.com)

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Die Digitalisierung der Produktion ist unerlässlich für einen nachhaltigen, internationalen Wettbewerb. Das glaubt zumindest eine große Mehrheit der befragten Unternehmen laut einer aktuellen Bitkom-Umfrage mit dem Titel "Industrie 4.0 - so digital sind Deutschlands Fabriken". Deren Ergebnisse fasste Bitkom-Präsidiumsmitglied Christina Raab auf einer Pressekonferenz zusammen. Aufhänger der regelmäßig durchgeführten Umfragereihe ist auch in diesem Jahr die bevorstehende Hannover Messe, deren Schwerpunkte auf Digitalisierung und Nachhaltigkeit liegen.

Unter anderem glauben 81 Prozent der 553 befragten Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern, dass Industrie 4.0 zur Nachhaltigkeit beiträgt. 91 Prozent sehen die Digitalisierung der Fertigung als unverzichtbar für den internationalen Wettbewerb an.

Bitkom sieht bei einer beschleunigten Digitalisierung ein Einsparungspotenzial von 64 Megatonnen CO₂ im deutschen Industriesektor. Das Potenzial kann laut Raab jeweils zur Hälfte durch das Automatisieren der Produktion und das Nutzen von digitalen Zwillingen erreicht werden – also in der gesamten Fertigungskette, vom Design bis hin zur Herstellung. Gesamtwirtschaftlich sei die Fertigung dabei der Sektor mit dem größten Einsparungspotenzial.

(Bild: Bitkom)

Der Stand der Digitalisierung sei dabei sehr gut. 90 Prozent der befragten Unternehmen gaben an bereits Anwendungen der Industrie 4.0 zu nutzen oder dies für die nächsten zwölf Monate zu planen. Bei einer vorangegangenen Befragung 2019 lag die Zahl noch bei 74 Prozent. Keines der befragten Unternehmen sah die Industrie 4.0 nicht mehr als aktuell wichtiges Thema. Raab nannte in diesem Zuge die Pandemie als Digitalisierungs-Motor der Wirtschaft: "Jetzt besteht die Chance der Verstetigung des Digitalisierungs-Prozesses. Und das sollte auch der Schwerpunkt der Unternehmen sein."

Im Zuge der Digitalisierung der Produktion glauben 71 Prozent der Befragten an das Entstehen von neuen Arbeitsplätzen für Fachkräfte. 77 Prozent gaben an, in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter zu investieren. Gleichzeitig prognostizierten auch 61 Prozent das Wegfallen von Arbeitsplätzen für geringer ausgebildete Arbeitskräfte – 2021 waren das noch 68 Prozent der Befragten. Offen bleibt, wo die geringer Qualifizierten im Zuge der Digitalisierung bleiben. Zwar ist im Pressematerial von Bitkom von Augmented Reality als Möglichkeit des Anleitens komplexerer Tätigkeiten die Rede, vertieft wird das Thema jedoch auch dort nicht.

(Bild: Bitkom)

Digitale Marktplätze sind derzeit die meistgenutzte Anwendung aus dem Repertoire der Industrie 4.0. Im Kontext der Hannover Messe legte Raab bei der Pressekonferenz den Fokus jedoch auf künstliche Intelligenz, IoT-Plattformen und digitale Zwillinge. Während ein Drittel der Befragten bereits IoT-Plattformen verwendet, plant ein weiteres Drittel dies für die kommenden 12 Monate. KI und digitale Zwillinge finden derzeit in 38 beziehungsweise 33 Prozent der Unternehmen Verwendung, geplant sei der Einsatz bei 17 bzw. 19 Prozent.

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Den Nutzen von KI sehen die Befragten in der Automatisierung (66 Prozent) und der Datenanalyse in der Prozessüberwachung (64 Prozent). Die IoT-Plattformen dienen unter anderem dem Remote-Echtzeit-Monitoring und der Beschleunigung von Prozessen. Bei den digitalen Zwillingen glauben 82 Prozent der Unternehmen zusätzliche Einsatzmöglichkeiten. Raab hob hervor, dass es sich bei digitalen Zwillingen offenbar nicht nur um ein Hype-Thema handele.

Mit der Rolle der Unternehmen beim technischen Fortschritt zeigte sich Raab unzufrieden. Zwar sehen sich laut Umfrage über 50 Prozent der Unternehmen mit über 500 Mitarbeitern in einer Vorreiter-Rolle, von den kleineren Unternehmen bezeichnete sich allerdings ebenfalls mehr als die Hälfte als Nachzügler. 7 Prozent der Befragten befanden gar, dass sie den Anschluss verloren hätten. Hier sieht der Bitkom Handlungsbedarf.

(Bild: Bitkom)

Als Top 5 der Hemmnisse beschrieben die befragten Firmen fehlende finanzielle Mittel, Datenschutz-Anforderungen, Anforderungen an die IT-Security, die generelle Komplexität des Themas und den Fachkräftemangel oder fehlendes Know-how – und fordern deshalb politische Maßnahmen. Bei der Regulierung wünscht man sich einen Abbau von rechtlichen Unsicherheiten beim Datenaustausch und die Etablierung von Standards.

Weiterhin fordern die Unternehmen steuerliche Impulse zum Erleichtern von Investitionen, eine unkompliziertere Förderung und mehr Geld für Forschung und Entwicklung. Im Bildungsbereich wünschen sich jeweils mehr als 50 Prozent der Befragten Weiterbildungsangebote und Integration von Industrie 4.0 in Ausbildung und Studium, Programme zur Aus- und Weiterbildung von Fachkräften sowie mehr Informations- und Beratungsangebote.

Laut Raab zeigten sich viele der Unternehmen unzufrieden mit der Arbeit der Regierung. Zwar werde Industrie 4.0 im Koalitionsvertrag genannt, doch es gäbe gerade keine aktuellen Maßnahmen zur Digitalisierung der Produktion. Diese Einschätzung reiht sich in die Kritik an den Digitalisierungsproblemen im Bildungssektor und insbesondere an den Komplikationen im Bereich der Medizin ein.

Mehr zu den Schwerpunkten der Hannover Messe finden sich in den Ankündigungen in der c't und der iX. Näheres zur Bitkom-Umfrage ist der Pressemitteilung zu entnehmen.

(pst)