Informationsfreiheitsgesetz: Die Häkchen sind gemacht

Nach langen Verzögerungen wollen die Regierungsfraktionen das Prestigeprojekt der Grünen nun noch vor Jahresende in den Bundestag einbringen.

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Nach langen Verzögerungen will Rot-Grün einen Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz des Bundes nun noch vor Jahresende in den Bundestag einbringen. "Die Häkchen sind drunter gemacht", erläuterte Grietje Bettin, medienpolitische Sprecherin der Grünen, den Stand der Dinge in ihrer Fraktion am Montagabend. Der Bundesvorstand habe das Papier im Parteirat beschlossen. Die SPD-Fraktion brauche aufgrund ihrer hierarchischeren Entscheidungsstrukturen zwar noch ein Weilchen, führte Bettin weiter aus. Sie geht aber davon aus, dass der Gesetzesvorschlag noch in der letzten Sitzungswoche vor Weihnachten im Plenum des Hohen Hauses in 1. Lesung behandelt wird.

Nachdem das Prestigeprojekt der Grünen während der vergangenen Legislaturperiode am Widerstand der Ministerialbürokratie gescheitert war, taten sich die Regierungsfraktionen auch mit dem Neustart schwer. So folgt seit dem Sommer Ankündigung um Ankündigung, dass das Gesetz auf den parlamentarischen Weg gebracht werde. Auch die Eckpunkte hatte Bettin bereits nach der Sommerpause präsentiert. Der eigentliche Entwurf ließ dagegen auf sich warten. "Wir waren wieder mehr dabei, gegen die Bürokratie zu kämpfen als politische Fragen zu klären", gibt die Grüne als Hauptgrund für die Hinausschiebungen an. Dass es mit dem Internet eine "Super-Chance" gebe, Informationen allen Bürgern frei zur Verfügung zu stellen und somit einen "Notstand" im Land zu beseitigen, hätten die Verwaltungsbehörden noch nicht eingesehen. Insgesamt hatte Bettin nicht mit solchen Schwierigkeiten gerechnet, "gesellschaftliche Unterstützung für das Gesetz zu bekommen".

Dabei liegen die Vorteile laut Rot-Grün auf der Hand: Ein generelles Recht auf Akteneinsicht soll bei der Korruptionsbekämpfung helfen, dem Bürger in ganz konkreten, ihn vor Ort betreffenden Fällen wie einem Flughafenbau oder Kraftwerkstörfall Transparenz bieten und Journalisten neue Wege zu sonst gern in Verwaltungsschubladen begrabenen Informationen öffnen. Zwar gibt es bereits einen allgemeinen Auskunftsanspruch der Presse. "Doch es ist ein erheblicher qualitativer Unterschied, ob Sie vom Pressesprecher abgespeist werden oder Einsicht in Originalakten nehmen können", weiß Manfred Redelfs vom Netzwerk Recherche. Investigative Medien könnten zudem einen Reporter als Privatperson ein Auskunftsgesuch nach dem Informationsfreiheitsgesetz stellen lassen, müssten also nicht als Institution auftreten und die Bürokratiehengste scheu machen. Am wichtigsten sei aber die allgemeine "Klimaveränderung" in den Behörden, da sie jederzeit mit Anfragen rechnen müssten. In einem "Akt zivilgesellschaftlicher Notwehr" habe das Netzwerk Recherche daher gemeinsam mit anderen Verbänden einen eigenen Gesetzesentwurf vorgelegt.

Die Advokaten für ein Ende der Geheimhaltungskultur in der Verwaltung brachen ihre Lanzen für mehr Informationsfreiheit auf einer Diskussionsrunde, zu der die Grünen just in das Museum in der ehemaligen Stasi-Zentrale an der Normannenstraße in Berlin geladen hatten. An dem historischen Ort berichtete Günter Bormann aus dem Leitungsbüro der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der Ex-DDR von guten Erfahrungen mit dem Stasi-Unterlagengesetz.

Man habe angesichts der speziell zugeschnittenen Informationsrechte in dem Gesetz angesichts der "180 Kilometer Stasi-Akten" mit ihren sehr persönlichen Daten zunächst "Mord und Totschlag" erwartet, sagte Bormann. Trotz der sensiblen Materie habe sich aber gezeigt, "dass man Informationsfreiheit einführen und sich darin bewähren kann." Die Interessen der Öffentlichkeit mit den Persönlichkeitsrechten auszutarieren sei zwar ein "aufwendiges, aber letztlich praktizierbares Problem". Nicht verständlich sind ihm dagegen Wünsche ganzer Ministerien, vom Akteneinsichtsrecht pauschal ausgenommen zu werden: damit würden sie sich von jeglicher öffentlicher Kontrolle ausschließen.

Annette Karstedt-Meierrieks, Datenschutzexpertin beim Deutschen Industrie und Handelskammertag (DIHK), veranlasste die Örtlichkeit dagegen zu der Bemerkung, dass man an Informationssammelwut auch ersticken könne und das "Zumüllen der Bürger" nichts bringe. "Auch für Unternehmen gibt es einen gewissen Grundrechtsschutz", betonte sie und pochte auf Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Sollte das Informationsfreiheitsgesetz nun kommen, werde generell aber "kein Aufschrei durch die Wirtschaft gehen". Erfahrungen in anderen Ländern würden zeigen, "dass man damit klar kommt". (Stefan Krempl) / (tol)