Intelligente Werkstoffe helfen im All und direkt im Körper
Smart Materials reagieren auf äußere Einflüsse als Sensoren und auch als Aktoren. Der Smart Materials Summit zeigt Einsatzfelder für Raumfahrt und Medizin.
Wenn Werkstoffe wiederholbar auf äußere Einflüsse wie Wärme oder Licht, elektrische oder magnetische Felder reagieren, dann eröffnet das unterschiedliche Anwendungen. Sogenannte Smart Materials können als Sensoren dienen und beispielsweise auf Hitze und Druck mit elektrischen Impulsen reagieren. Sie lassen sich auch direkt als Aktoren einsetzen, beispielsweise wenn Formgedächtnislegierungen auf einen thermischen oder elektrischen Reiz hin wieder zu ihrer vorgegebenen Form zurückstreben.
Mit diesen Effekten kann man besonders kompakte Satelliten bauen oder smarte Implantate, die beispielsweise die Heilung von Knochenbrüchen beschleunigen. Selbst Berührungen lassen sich einerseits von Smart Materials in übertragbare Signale übersetzen und andererseits durch ansteuerbare Folien in Form von Druck oder Vibrationen wieder ausgeben.
Smart Materials im Orbit
Gemeinsam mit dem Innovationsnetzwerk smart3 e.V. in Bautzen veranstaltet die Universität des Saarlandes am 7. und 8. November 2024 den Smart Materials Summit in Saarbrücken. "Ein Highlight des Smart Materials Summit bildet der Bereich New Space", berichtet Paul Motzki, Professor für smarte Materialsysteme am Intelligent Material Systems Lab der ausrichtenden Universität. Beispielsweise ist es schwierig, die sehr kompakten Satelliten der modernen Raumfahrt effizient zu kühlen. "Es gibt keine Konvektion im All", sagt Motzki, Satelliten können im Orbit kein kühles Medium ansaugen. Hilfe verspricht etwa Festkörperkühltechnik. So haben die Forscher um Motzki eine Wärmepumpentechnik mit Elastokalorik entwickelt; ihr Material wird unter Druck warm und bei Entlastung wieder kalt. Derartige Drähte können gezielt Wärme ableiten, übrigens energieeffizienter als heutige Wärmepumpen und ohne zusätzliches klimaschädigendes Kältemittel.
Als Spin-off des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) beschäftigt sich Memetis mit Formgedächtnislegierungen. Daraus bauen die Karlsruher beispielsweise ultrakompakte Mikroventile, unter anderem für Optik- und Raumfahrtanwendungen. Mikroaktoren steuern auf kleinstem Raum Labor-on-a-Chip-Systeme.
Formgedächtnis gegen Hitze
Am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik befassen sich Forscher ebenfalls mit Formgedächtnisaktoren. Damit haben sie beispielsweise eine smarte Fassade für den Sonnenschutz von Glasfassaden entwickelt. Drähte aus einer Nickel-Titan-Legierung streben bei Erwärmung in ihre Ursprungsform und falten dabei textile Schirme auf, die dann das Gebäude verschatten, bevor es sich aufheizt und die Klimaanlage anspringt.
In der Medizintechnik setzt ein Team um Motzki Hoffnungen in implantierbare Aktoren, die beispielsweise bei Frakturen das Knochenwachstum durch Mikrobewegungen im Frakturspalt stimulieren sollen. Zudem könnte das dabei eingesetzte Smart Material zusätzlich als Sensor dienen, der früh erkennt, ob das Knochenwachstum wie gewünscht einsetzt.
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Ein weiteres Anwendungsfeld für smarte Materialien könnte sich durch die Übertragung von Vibrationen und Streicheleinheiten ergeben. Beispielsweise arbeiten Forscher am Intelligent Material Systems Lab mit dünnen Polymerfolien, die auf Anregung vibrieren. Diese Folien können nicht nur die Funktion von Touchscreens erweitern. In Textilien eingewebt ist es damit möglich, Streicheleinheiten zu simulieren. Mit einem entsprechenden Kleidungsstück beim Sender könnte es in Zukunft möglich werden, Berührungen aufzunehmen, online zu übertragen und wiederzugeben.
(agr)