Internes Papier: Ministerium rechnet bei LNG-Terminals mit Überkapazitäten
Deutschland baut neue Importmöglichkeiten auf, um russisches Gas zu ersetzen. Doch jetzt gibt es Befürchtungen, dass es zu viel des Guten wird.
Parallel zur Inbetriebnahme der ersten deutschen LNG-Terminals richtet sich der Blick des Bundeswirtschaftsministeriums nun auf die Frage, ob mit dem Bau weiterer Umschlagplätze Überkapazitäten entstehen. Ein Medienbericht zitiert aus einem internen Papier, demzufolge die Kapazität der staatlich gecharterten Regasifizierungsschiffe und geplanter landgebundener Terminals die Gasimportmengen aus Russland übersteigen würde. Dies sei auch vor dem Hintergrund erwarteter Rückgänge bei dem Gasbedarf zu hinterfragen. Zuvor war schon von Klimaschützern Kritik erhoben worden, dass die Vielzahl neuer Flüssigerdgas-Terminals den Import fossiler Brennstoffe für Jahre zementieren könnte.
Laut dem Mediendienst Table Media ist in der Woche vor Weihnachten ein Treffen im Bundeskanzleramt geplant, auf dem die Frage erörtert werden soll. Nach aktuellem Planungsstand werde mit zehn schwimmenden Terminals an Nord- und Ostsee gerechnet – sechs davon mit staatlicher Beteiligung. Die schwimmenden Terminals, die zum Beispiel im Falle Wilhelmshavens übergangsweise bis zum Bau eines Landterminals geplant sind, würden alleine schon bis zum Jahr 2024 die Importmenge der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 1 in Höhe von 54 Milliarden Kubikmetern Erdgas pro Jahr aufwiegen oder sogar mit bis zu 67 Milliarden Kubikmetern übertreffen. Das erste staatlich initiierte und von Uniper betriebene Terminal in Wilhelmshaven geht an diesem Wochenende in Betrieb.
Weitere Pläne gibt es laut dem Papier für Terminals in Lubmin, Stadt und Brunsbüttel. Für ein Terminal in Hamburg werde derzeit keine realistische Option auf Inbetriebnahme gesehen.
Wird ein Sicherheitspuffer benötigt?
Noch zu bauende Anlagen an Land werden mit einer Kapazität von bis zu 50 Milliarden Kubikmetern beziffert. Diese sind eigentlich als Ersatz für die schwimmenden Terminals gedacht. Zweifel werden aber laut, ob die langen Laufzeiten der Charterverträge nicht dazu führen, dass es noch für längere Zeit einen Parallelbetrieb geben wird. So hat der Bund für seine gecharterten FSRUs (Floating Storage and Regasification Units) Verträge für zehn bis 15 Jahre abgeschlossen.
Noch offen ist, ob überhaupt alle LNG-Vorhaben wirklich realisiert werden. Hier gebe es noch Unsicherheiten und die mögliche Überkapazität wird mit Blick auf die drohende Gasmangellage auch als Sicherheitspuffer angesehen. Gleichwohl habe der Haushaltsausschuss des Bundestages die Zuschüsse für ein sechstes staatlich unterstütztes LNG-Terminal gestoppt.
Auch andere Länder bauen Terminals
Die Sorge vor Überkapazitäten rührt allerdings auch daher, dass viele Staaten – so wie Deutschland – ihre Gasmangellage isoliert betrachtet haben. Da in ganz Europa neue LNG-Terminals entstehen oder schon existieren und heute schon Flüssigerdgas in regasifizierter Form aus den Benelux-Staaten nach Deutschland importiert wird, ist es aus Sicht von Experten gar nicht unbedingt notwendig, dass Deutschland die Kapazitäten von Nord Stream 1 komplett aufwiegen kann.
(mki)