Internet Engineering Task Force bekommt neue Führungsriege

Nach wie vor gibt es nach Ansicht einiger Beobachter beim zentralen Standardisierungsgremium für Internet-Protokolle noch manches zu tun, um die Standardisierungsarbeit effektiver und schneller zu machen.

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Von
  • Monika Ermert

Russ Housley ist neuer Chef der Internet Engineering Task Force (IETF), der zentralen Standardisierungsorganisation für Internet-Protokolle. Der US-Amerikaner löst damit den Briten Brian Carpenter ab und beendet ein europäisches Interregnum, das mit dem Norweger Harald Alvestrand vor 6 Jahren begonnen hatte. Housley ist, anders als wohl alle seine Vorgänger, nicht bei einem großen IT-Unternehmen angestellt, sondern freischaffender Berater. In seiner ersten Rede als IETF-Chef beim IETF-Treffen in Prag am Mittwochabend nannte er zwei Hauptgeldgeber: "Von Verisign bekomme ich einen monatlichen Scheck. Die NSA steuert die Reisekosten bei." Bei der Nennung des US-Geheimdienstes National Security Agency (NSA) im IETF-Plenum gab es Applaus und erstaunte Rufe.

Parallel zum Wechsel bei der IETF löst der Niederländer Olaf Kolkmann von der ebenfalls kleinen Nlnet Labs Leslie Daigle von Cisco beim Vorsitz des Internet Architecture Board (IAB) ab, das gemeinsam mit der Internet Engineering Steering Group (IESG) über den Standardisierungsprozess wacht. Komplettiert wird das neue Führungstrio durch Bob Hinden als Chef des IETF Administrative Oversight Council (IAOC). Hinden ersetzt Lucy Lynch, die vor zwei Jahren das neu geschaffene Gremium mit aufgebaut hat.

Noch nie in der Geschichte der IETF, sagen Beobachter, wurden gleichzeitig so viele Posten bei der wichtigsten IP-Standardisierungsorganisation neu besetzt. Das liegt nicht nur daran, dass der IAOC-Sitz erstmals überhaupt wechselt – das Gremium wurde geschaffen, um die IETF bei der Verwaltung auf eigene Füße zu stellen. Auch im IESG gab es zusätzlich ein Stühlerücken. Außerdem ist ein gleichzeitiger Wechsel der IAB-IETF-Doppelspitze eher eine Seltenheit.

Carpenter legt etwas unerwartet den IETF-Vorsitz nach nur einer Amtszeit nieder. Die hohe Arbeitslast, die das Amt mit sich bringt, habe dabei wohl den Ausschlag gegeben, meinen Beobachter. "Der IETF-Vorsitz ist ein Fulltime-Job," sagte Carpenter zu heise online. Er habe sich manchmal über die Anfragen gewundert, wo er noch überall sprechen solle. "Ich hatte richtige Arbeit zu tun", sagte er. Vom jeweiligen Arbeitgeber, in Carpenters Fall IBM, muss der IETF-Vorsitzende im Idealfall komplett freigestellt werden. Diesen Luxus können sich in der Regel nur große Unternehmen leisten. Housley bildet da in gewisser Weise die Ausnahme.

Housleys Wahl begründete Jürgen Quittek von den Heidelberger NEC Network Laboratories mit der Arbeit des Amerikaners als Chef des Bereichs Sicherheit bei der IETF. "Housley hat dort die Prozesse verbessert, die Leute in dem Bereich arbeiten jetzt besser zusammen, und er übt einen sanften, aber bestimmten Druck aus, damit es vorwärts geht", erklärte Quittek, der Mitglied des Nominierungskomitees war. "Natürlich erhofft man sich, dass er dasselbe nun für die gesamte IETF schafft."

Nach wie vor gibt es nach Ansicht mancher Beobachter noch manches zu tun, um die Standardisierungsarbeit effektiver und schneller zu machen. Im IETF-Plenum am Mittwoch wurde mit Blick auf eine der aktuellen Herausforderungen, die Suche nach einer Lösung für die rasch wachsenden Routing-Tabellen, auch diskutiert, ob dafür der bestehende Standardisierungsprozess überhaupt geeignet sei. Die Lösung erfordere möglicherweise eine beträchtliche Änderung in der Architektur des Netzes – ein Vorschlag lautet etwa, Identifier und Locator voneinander unabhängig zu machen. Darüber wird in den kommenden zwei Tagen noch heftig in Prag diskutiert. (Monika Ermert) / (jk)