Intershop zieht in den USA die Notbremse

Das in Jena gegründete Softwarehaus konzentriert sich auf den europäischen Heimatmarkt.

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Deutsche Firmen aus der New Economy tun sich schwer mit der Expansion in den US-Markt, obwohl er allein durch seine Größe ein attraktives Eroberungsziel darstellt. Dass die lokale Vertretung vor Ort in den USA keine Erfolgsgarantie ist, muss just Deutschlands langjähriger New-Economy-Vorreiter Intershop feststellen. Die Strategie des Anbieters von E-Business-Systemen, auf dem amerikanischen Markt innerhalb weniger Jahre zu einem führenden Player zu werden, ging nicht auf. Jetzt zieht das Softwarehaus die Konsequenzen: Die Konzentration auf den Heimatmarkt Europa, wo Intershop seit jeher den stärksten Umsatz generierte, ist angesagt.

"Wir sind in den USA aus dem Sattel geworfen worden", gesteht der fürs operative Geschäft zuständige Intershop-Mitgründer Wilfried Beeck zähneknirschend ein. In den Vereinigten Staaten will sich das Unternehmen nun mit dem dritten oder vierten Platz im Markt der E-Business-Ausrüster zufrieden geben. Intershop, so Beeck, habe vor allem mit dem Problem zu kämpfen, dass viele amerikanische Betriebe in schwierigen Zeiten lieber bei einheimischen Firmen einkaufen. Amerikanische Wettbewerber wie IBM, Microsoft, Broadvision oder die Art Technology Group (ATG) seien daher besser zu Rande gekommen.

Schon Anfang des Jahres führte das 1992 in Jena gegründete Unternehmen die hohen Verluste für 2000 in Höhe von 39,3 Millionen Euro – etwa doppelt so viel wie 1999 – vor allem auf einen Einbruch des US-Geschäfts im vierten Quartal zurück. "Zahlreiche Aufträge" von Kunden wie Motorola, klagte Intershop-Chef Stefan Schambach, seien angesichts der Abkühlung der US-Wirtschaft geplatzt. Darunter seien Deals in zweistelliger Millionenhöhe gewesen. Im vergangenen Quartal hat die Firma auf dem amerikanischen Markt nur noch Einnahmen in Höhe von drei Millionen Euro erzielt. Insgesamt hat Intershop für dieses Jahr allerdings Umsätze zwischen 140 und 160 Millionen Euro anvisiert.

Nach dem Debakel im Januar hatte der Firmenchef während der vergangenen Monate zum teilweisen Rückzug aus den USA geblasen. Im Januar baute Intershop 80 Stellen in den USA ab. Die Streichung von 30 Prozent der Belegschaft in der Firmenzentrale war verknüpft mit der Rückverlegung der Abteilungen Marketing, Training und Produktmanagement nach Deutschland, wo Intershop in der Heimatstadt Jena aufgrund der niedrigeren Mitarbeiterfluktuationsrate traditionell den Bereich Produktentwicklung gehalten hatte. "Uns als hundertprozentiges US-Unternehmen zu präsentieren macht keinen Sinn, da das Geschäft auf dem europäischen Markt einfach besser läuft", begründet Firmensprecher Heiner Schaumann die Entscheidung. Für die US-Niederlassung, in der weiter kräftig Personal eingespart wurde und von 260 Mitarbeitern nun nur noch 130 übrig geblieben sind, laute die Devise nun, mit minimalen Kosten maximalen Output zu generieren und sich auf den Vertrieb zu konzentrieren.

Insgesamt hat es dem Softwarehaus wenig genützt, im gelobten Land der New Economy fünf Jahren lang mit seinem – inzwischen auch nach Deutschland zurückverlagerten – strategischen Hauptfirmensitz vertreten gewesen zu sein. Im Frühjahr 1996 hatte Schambach in Übereinstimmung mit seinen Geldgebern befunden, dass "wir für die Verwirklichung unserer Idee in den wichtigsten Märkten vertreten sein müssen". Gerade im Silicon Valley seien alle entscheidenden Analysten, Kunden und Technologiepartner ansässig. Also machte sich Schambach mit einer Million US-Dollar, gutem Rat und einigen Kreditkarten ausgerüstet auf nach Kalifornien. Vorangetrieben wurde die Verlagerung des Headquarters nach San Francisco von ihm damals auch unter dem Gesichtspunkt, dass es in Deutschland den Neuen Markt noch nicht gab.

Generell hat sich Intershop nach dem exorbitanten Wachstum von teilweise über 160 Prozent in den vergangenen Jahren eine Diät verschrieben. "Wir müssen zunächst unsere internen Hausaufgaben machen", sagt Schaumann. In die Gewinnzone soll das in den Abwärtsstrudel der New Economy geratene Unternehmen zum Jahresende vor allem eine Neuausrichtung des Verkaufsbereichs bringen: Auf der CeBIT in Hannover stellte Intershop für vertikale Branchen wie die Finanz-, Automobil- oder Chemieindustrie so genannte "Quick-Packs" vor – vorgefertigte Lösungen, die weniger Anpassung an die E-Business-Konzepte von Firmen in den einzelnen Sparten erfordern. (Stefan Krempl) / (jk)