Schwere Enttäuschung bei Intershop

Heute musste Stephan Schambach, Chef des E-Commerce-Spezialisten Intershop, noch einmal tiefrote Zahlen bekannt geben.

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Stephan Schambach, Vorstandsvorsitzender des gefallenen Engels Intershop, will die vergangenen vier Wochen am liebsten aus dem Kalender reißen. Mit Journalisten spricht er jedenfalls nur noch, wenn es nicht um die (roten) Zahlen geht. Doch heute muss er die Verluste noch einmal kommentieren, denn nach der Gewinnwarnung Anfang Januar, die den gesamten Neuen Markt schockte, legte das Unternehmen jetzt die endgültigen Zahlen für das verflixte vierte Quartal sowie das Jahresergebnis 2000 vor.

Insgesamt 39,3 Millionen Euro (76,9 Millionen Mark) hat die E-Business-Firma, die viel von ihrem Ruf als Vorzeigeunternehmen eingebüsst hat, im vergangenen Jahr an Verlusten angehäuft. Im Jahr zuvor waren es "nur" 18,4 Millionen Euro. Das Minus je Aktie beträgt damit 0,47 Euro gegenüber 0,23 Euro im Jahr 1999. Doch Verluste wollen Investoren bei einem gestandenen Unternehmen mit rund 1000 Mitarbeitern weltweit nicht mehr sehen, der Netz-Startup-Bonus ist längst weggefallen. Da hilft es wenig, wenn der Umsatz um 166 Prozent auf 123,0 Millionen Euro im Vergleich zu 46,3 Millionen Euro im Vorjahr stieg.

Besonders hart traf Intershop das vierte Quartal 2000. Das Unternehmen erzielte zwischen Oktober und Dezember einen Nettoverlust von satten 32,5 Millionen Euro im Vergleich zu einem Nettoverlust von 7,4 Millionen Euro im vierten Quartal 1999. In der Gewinnwarnung Anfang Januar war von "maximal 32 Millionen Euro" die Rede gewesen. "Trotz neuer Kunden endete das vierte Quartal verglichen mit unseren Erwartungen sehr enttäuschend", muss Schambach eingestehen.

Hineingerissen in den Abwärtsstrudel der New Economy haben Intershop neben falschen Kostenrechnungen vor allem eine deutliche Fehleinschätzung des US-Geschäfts. Die Umsatzschwäche jenseits des Atlantiks führt Schambach vor allem darauf zurück, dass "zahlreiche Aufträge, die gegen Ende des vierten Quartals erwartet worden waren," von Kunden angesichts einer einsetzenden Abkühlung der US-Wirtschaft "erst einmal verschoben" wurden. Schambach gibt aber auch zu, dass trotz der Verlagerung der Firmenzentrale nach San Francisco und einer teuren Werbekampagne im Sommer die "Marktpenetration" in den USA nach wie vor zu gering sei. "Wir sind dort hinsichtlich Markenbekanntheit, Vertrieb und Partnernetzwerk noch immer nicht da, wo wir sein wollen." Denn während amerikanische Firmen wie IBM, Microsoft oder Broadvision den Markt für Verkaufssoftware in den USA nach wie vor weitgehend unter sich aufteilen, haben die Jenaer das Nachsehen. Dass Teile des amerikanischen Managements das Unternehmen im Herbst verlassen haben, mag ebenfalls zu dem schweren Seegang am Pazifik beigetragen haben.

Trotz des schlechten Ergebnisses sieht Schambach die Firma "sehr gut positioniert im Markt für E-Commerce-Software". Er hofft vor allem auf den Erfolg von Enfinity2 und den Erhalt einer "erstklassigen Kundenbasis" sowie "des weltweiten Netzwerks von Integrations- und Technologiepartnern". Mit einem Abbau von rund 200 Stellen in den USA hat Intershop zudem ein "unternehmensweites Restrukturierungsprogramm" eingeleitet, das "zur Verschlankung unserer Organisation" führen soll, wie Schambach ausführt. Der Firmenchef kündigte an, Teile "unserer globalen Funktionen, die in den USA angesiedelt sind", wieder nach Deutschland zu verlegen. Der europäische "Heimatmarkt" ist nach wie vor die "Cash-Cow" für Intershop: Dort konnte das Unternehmen gegenüber dem dritten Quartal ein deutliches Umsatzwachstum von 12 Prozent auf 24,7 Millionen Euro verzeichnen. (Stefan Krempl) / (jk)