Jamming: Polnische Forscher vermuten GPS-Störsender auf Schiffen in der Ostsee

Laut einer Studie sind die in der Ostsee beobachteten GPS-Störungen technisch ausgefeilt und gehen offenbar auch von Schiffen der russischen Schattenflotte aus.

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Schiff auf Meer

(Bild: Korn Srirawan/Shutterstock.com)

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Auf der östlichen Ostsee fahrende Schiffe sind für die spätestens seit Ende 2023 beklagten massiven Störungen von Systemen für die Satellitennavigation wie GPS in der Region zumindest mitverantwortlich. Das geht aus einer neuen Studie polnischer Forscher hervor. Die Wissenschaftler beobachteten zwischen Juni und Dezember 2024 GPS-Unterbrechungen auf Bodenhöhe mit einem Sensor, den sie an der Meeresuniversität Gdynia im Norden Polens installiert hatten. Die Hochschule liegt etwa 35 Kilometer von Danzig und 120 Kilometer von der russischen Oblast Kaliningrad (Königsberg) entfernt. Insgesamt stellten sie dabei Störungen globaler Satelliten-Navigationssysteme (GNSS) über 84 Stunden hinweg fest. Diese hätten für anhaltende Probleme in der Gegend für Schiffe gesorgt, Kurs zu halten.

Als Ursache machten die Experten in der auf die Danziger Bucht beschränkten Analyse vor allem Jamming aus, bei dem das Funksignal der Satelliten gestört wird. Spoofing spiele keine große Rolle. Dabei werden zuvor aufgezeichnete echte oder falsche Satellitensignale von einem Dritten ausgesendet. Im Oktober verzeichneten die Forscher die höchste Jamming-Aktivität mit sechs größeren Störvorfällen mit einer Gesamtdauer von 29 Stunden. Sie identifizierten dabei zwei primäre Typen der Einflussnahme: Von Juni bis September stieß das Team vor allem auf sogenannte Multi-Konstellationsstörungen, die mehrere GNSS-Systeme betreffen. Seit Oktober machten sie erstmals mehrdimensionale Störungen aus, die auf geänderte Störtaktiken und möglicherweise ausgefeiltere Techniken hinwiesen.

Die Wissenschaftler zeichneten dabei auch lang anhaltende Interferenzereignisse von mehr als sieben Stunden auf, die ihnen zufolge "die GNSS-abhängige Seeschifffahrt, den Hafenbetrieb und die Zuverlässigkeit der Infrastruktur erheblich beeinträchtigten". Sie beobachteten dabei eine erheblich verschlechterte Positionierungsgenauigkeit, wobei die Fehler von nominell 3 bis 5 auf über 35 Meter anstiegen, was Sicherheits- und Betriebsrisiken mit sich bringe. Eine Korrelation zwischen terrestrischen GNSS-Störungen und Einflüssen auf das Flugsicherungssystem Automatic Dependent Surveillance - Broadcast (ADS-B) gibt es laut der Untersuchung dagegen nicht. Dies verstärke die Einschränkungen, die sich aus dem ausschließlichen Einsatz luftgestützter Überwachungssysteme rund um Bedrohungen der bodennahen Infrastruktur ergebe.

Das Team spricht zudem von "deutlichen Hinweisen auf mobile maritime Störquellen" in internationalen Gewässern. Diese wiesen Bewegungsmuster auf, "die mit Schiffen in der Ostsee übereinstimmen". Dies deckt sich mit Berichten über einschlägige Spezialausrüstung, die auf Schiffen der russischen Schattenflotte wie der Eagle S gefunden wurde. Der Tanker steht im Verdacht, im Dezember das Unterseekabel Estlink2 zwischen Finnland und Estland durchtrennt zu haben. Die Autoren sehen daher dringenden Bedarf an einem speziellen GNSS-Interferenzüberwachungsnetzwerk entlang der Ostseeküste. Ein solches könnte lokalisierte Echtzeitdaten liefern, um Bedrohungen genau einzuschätzen, Störquellen zu erkennen und die Widerstandsfähigkeit der Infrastruktur zu verbessern. Anderen Erkenntnissen zufolge befindet sich eine als "Baltic Jammer" bezeichnete Störanlage in Kaliningrad, die vor allem auf den Flugverkehr ausgerichtet ist.

(olb)