Japan will die fortschrittlichste IT-Nation der Welt werden

Mit dem Programm "e-Japan" plant Tokio im Bereich E-Commerce und E-Government aufzuholen und andere Nationen im "Wettlauf zur Informationsgesellschaft" zu überholen.

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Ein Arbeitsgruppe der japanischen Regierung hat Ende der Woche ein ambitioniertes Aktionsprogramm mit über 200 Maßnahmen vorgestellt, mit dem die zweitstärkste Volkswirtschaft der Welt Rückstände beim Wettlauf der Nationen in die Netzgesellschaft wett machen will. Japan soll sich sich damit innerhalb der nächsten fünf Jahre zur führenden Kraft im Bereich der Informationstechnologie (IT) aufschwingen. Im Vordergrund steht ähnlich wie bei vergleichbaren Aktionsprogrammen zahlreicher Staaten weltweit das Ziel, durch Liberalisierung ein positives Umfeld für den E-Commerce zu schaffen. Aber auch die Regierungsarbeit und die öffentliche Verwaltung sollen konsequent auf die digitalen Medien umgestellt werden.

Das e-Japan Prioritätsprogramm, das die vom japanischen Premierminister Yoshiro Mori geleitete Information Technology Strategy Task Force ausgearbeitet hat, legt fünf Aktionsschwerpunkte fest. Dabei geht es um konkrete Maßnahmen in den Bereichen Infrastruktur, Bildung, E-Business, E-Government und IT-Sicherheit. Dazu kommen übergeordnete Zielsetzungen wie das Verhindern einer digitalen Spaltung der Gesellschaft innerhalb Japans. Aber auch gegen den Aufriss einer virtuellen Kluft zwischen einzelnen Nationen will sich die Expertentruppe stark machen. Zudem drängt sie die Politiker und Unternehmensführer auf der Insel, aktiver an der internationalen Standardisierung von Vorschriften und Spezifikationen mitzuwirken.

Die einzelnen Maßnahmen sind – anders als in dem von der deutschen Bundesregierung im Herbst 1999 erlassenen und von der Opposition als "blutleer" kritisierten Aktionsprogramm Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts — durchweg mit konkreten Terminvorgaben versehen. Um dem Ziel gerecht zu werden, das fortschrittlichste Informations- und Telekommunikationsnetzwerk der Welt aufzubauen, soll Japan beispielsweise noch in diesem Jahr die Liberalisierung des Telekommunikationssektors in Angriff nehmen. Bisher hält die zu 46,7 Prozent dem Staat gehörende Nippon Telegraph and Telephone (NTT) vor allem im Ortsbereich ein Monopol und kontrolliert rund 90 Prozent der Leitungen. Nun soll noch 2001 eine der deutschen Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) vergleichbares "Komitee zur Lösung von Interessenskonflikten im Telekommunikationsbereich" für mehr Wettbewerb sorgen. Auch noch in diesem Jahr will die Regierung die Frequenzen für den funkgestützten Hochgeschwindigkeitszugang zum Netz erweitern.

Im Ausbildungssektor schwebt dem Panel vor, bis zum Ende des Jahres alle öffentlichen Schulen ans Netz zu bringen. Gleichzeitig ist eine Initiative vorgesehen, die auch die Lehrer im Umgang mit dem PC schult. Dazu soll eine Art "Internet-Grundkurs" 5,5 Millionen Erwachsenen das Klicken mit der Maus und das Surfen im Netz beibringen. Damit die für die Online-Welt getrimmten Nutzer im Web auch genügend Einkaufsmöglichkeiten finden, will die Regierung einen sicheren Rahmen für E-Händler schaffen. Herauskommen soll dabei aber nicht nur ein beliebiges "Fernabsatzgesetz" oder eine E-Commerce-Richtlinie, wie sie die Europäische Union ihren Mitgliedsstaaten vorschreibt. Der japanische Plan geht so weit, dass fortan jedes zukünftige Gesetz auf seine Verträglichkeit mit dem Internet und dem E-Commerce überprüft werden soll.

Die Verwaltung selbst wird mit dem Papier dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2003 prinzipiell alle Gesetze und Weißbücher über das Internet zur Verfügung zu stellen. Im gleichen Jahr werden laut Fahrplan praktisch alle Anwendungs- und Berichterstattungsverfahren der Verwaltung online abgewickelt. Bereits 2002 soll die gesamte interne Regierungsarbeit digitalisiert und die übliche Schreibarbeit in allen Ministerien eliminiert werden. Weniger ehrgeizig sind die Japaner im Bereich Sicherheit. Bis 2002 steht zwar die "Standardisierung der Verschlüsselungstechnologien" auf dem Programm. Doch erst bis 2003 sind die Ressorts aufgefordert, ihre Sicherheitspraktiken und die "kritischen Infrastrukturen" zu bewerten und zu überprüfen. Die "verstärkte Aufklärung" der Anwender über die Folgen von unbefugten Zugriffen auf Rechner in Netzwerken und Computerviren ist ebenfalls erst bis 2003 vorgesehen.

Dass es die Regierung nicht so eilig hat mit dem Kampf gegen die in Europa und den USA so gefürchteten Hacker und Computer-Saboteure, erklärt sich eventuell mit der bisher vergleichsweise geringen Nutzung des Internet über den PC in Japan. Während dank i-mode fast jeder Teenager übers Handy längst permanent online ist, verhindern hohe Telefon- und Internetgebühren eine verstärkte Nutzung des Internet vom heimischen Schreibtisch aus. Selbst Premierminister Mori hat mehrfach zugegeben, vor Sommer vergangenen Jahres nie eine Computer-Tastatur berührt zu haben. Der e-Japan-Plan, der auf einem bereits 1999 vorgelegten Weißbuch zur Telekommunikation sowie einer im November veröffentlichten Eingabe einer vom Sony-Chef Nobuyuki Idei geleiteten Beratungsgruppe zurückgeht, fällt Kritikern daher gerade im Bereich der Liberalisierung zu schwach aus. Sie befürchten, dass das Monopol von NTT nur halbherzig angegangen wird. (Stefan Krempl) / (jk)