Job im Start-up: Himmelfahrtskommando oder Karriere-Beschleuniger?

Die Ideen von Start-up-Unternehmen sind innovativ, das Arbeitsumfeld kreativ. Aber das Risiko des Jobverlusts ist hoch. Wer in ein Start-up passt und wer nicht.

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(Bild: Rawpixel.com/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Peter Ilg
Inhaltsverzeichnis

Andrew Heimerman, 27, ist US-Amerikaner und arbeitet als IT-Experte in Deutschland. Das ist ungewöhnlich. Üblicherweise ziehen deutsche IT-Spezialisten nach Amerika, vorrangig ins Silicon Valley, um dort bei den Großen der Branche an den Zukunftsthemen der Informatik mitzuarbeiten. Heimerman hat sich für eine Reise in die andere Richtung entschieden. Außerdem arbeitet er in einem Start-up. Das ist ein beruflich großes Risiko. „Das ist mir durchaus bewusst, aber mein Glaube an unsere Geschäftsidee ist stärker.“ Heimerman ist überzeugt, in einem Start-up gut aufgehoben zu sein und dorthin auch zu passen.

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Im vergangenen Jahr wurden laut Startupdetector, einem Startup-Informationsdienst, rund 3.300 Start-ups in Deutschland gegründet, die meisten beschäftigen sich mit Software. „Start-ups werden als Arbeitgebende immer wichtiger. Durchschnittlich werden dort 18,4 Mitarbeitende beschäftigt“, sagt Jannis Gilde, Forschungsleiter beim Bundesverband Deutsche Startups. Zunächst sind es meist nur die Gründenden, dann folgen zunehmend mit dem Alter der Firma immer mehr Angestellte. Laut einer Studie des Verbands beschäftigen Start-ups bis zu einem Alter von 15 Jahren rund 415.000 Angestellte. Tendenz steigend: 2020 sind es durchschnittlich 14 gewesen, 2021 schon 17 und in diesem Jahr 18.

„Der Fachkräftemangel ist eine der zentralen Herausforderungen beim Wachstum für Start-ups“, sagt Gilde. Neun von zehn Start-ups haben zurzeit offene Stellen. Im internationalen Wettbewerb um Talente benötige Deutschland bessere Bedingungen für die Beteiligung von Mitarbeitenden. Ein Problem ist die Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen: wenn die Beschäftigten beteiligt werden, gilt diese als steuerpflichtiges Arbeitsentgelt, obwohl sie keinen Ertrag haben. Falls sie später ihre Anteile verkaufen, fallen auf die Wertsteigerung erneut Steuern an. Das schreckt eher ab von einer Mitarbeit in einem Start-up, als dass es anzieht.

Nur ein kleiner Teil der Firmen wird richtig erfolgreich, die meisten scheitern. Dann sind die Mitarbeitenden ihren Job los. Wenn die Idee aber einschlägt, kann der Job zum Karriere-Booster werden. Mit dem Firmenwachstum steigen die ersten Angestellten auf. Dadurch steigt das Gehalt und falls die Beschäftigten an der Firma beteiligt sind, deren Wert. So können in seltenen Fällen aus Angestellten im besten Fall Millionäre werden.

Andrew Heimerman, 27

Heimerman hat schon im Studium von einer eigenen Firma geträumt. Am Boston College, einer privaten Universität an der Ostküste der USA, hat er Informatik und Deutsch studiert. Sein Auslandssemester absolvierte er aufgrund seiner Fächerwahl logischerweise in Deutschland. „Das Land gefällt mir und deshalb bin ich nach meinem Abschluss in Boston nach Bonn zum Arbeiten gezogen.“ Das war 2018. Er hat zunächst ein zweijähriges Trainee-Programm bei der Deutschen Telekom in den Innovation Labs abgeschlossen. Die T-Labs, wie sie abgekürzt heißen, sind eine Forschungs- und Entwicklungseinheit. Dann hat Heimerman ein Jahr als Softwareentwickler in derselben Abteilung gearbeitet, in der er Trainee war. Es war die damals junge Blockchain-Gruppe der T-Labs. Die hat Alexandra Mikityuk geleitet. Gemeinsam mit einem Kollegen haben die beiden im vergangenen Jahr Staex gegründet. Das Start-up will mit einer neuartigen Software Roboter sicher vernetzen. Heimerman und eine Handvoll andere aus der Blockchain-Gruppe haben zu Staex gewechselt.

Heimerman entwickelt Software, arbeitet mit im Marketing und unterstützt Kollegen im Vertrieb bei der Gewinnung neuer Kunden. „In einem Start-up hat man vielmehr und verschiedene Aufgaben und weil Vieles im Aufbau ist, einen großen Spielraum zum Probieren und Lernen.“ Jeden Tag etwas Neues zu lernen war für ihn ausschlaggebend, bei Staex mitzumachen. Heute erweitert er sein Wissen in einer Woche, wofür er in den T-Labs vier Wochen brauchte. Seine Lernkurve ist sehr steil.

Und der Arbeitstag lang. „An diesem Punkt steigen viele Bewerber aus“, sagt Thomas Hartenfels, Recruitment-Experte in der Personalberatung Robert Walters. Das Unternehmen besetzt Fach- und Führungspositionen auf allen Managementebenen. Start-ups würden Überstunden erwarten, so die Erfahrung von Hartenfels, und Start-ups seien für Angestellte interessant, die mit dem Unternehmen wachsen und möglichst schnell aufsteigen wollen. „Wenn wir Kandidaten für solche Firmen suchen, dann sind viele Bewerber darunter, die mit dem Gedanken spielen, selbst ein Unternehmen zu gründen oder die bereits gegründet haben, neben ihrem Job.“ Bei solchen Bewerbern ist der Übergang in ein Start-up sanfter, als von Angestellten aus einem etablierten Unternehmen.

Gründungen sind meistens technologisch getrieben. Interessante und innovative Ideen sind es schließlich auch, die neues Personal anziehen. „Ob die Firma dann scheitert oder nicht, ist für deren weiteren beruflichen Lebenslauf unwichtig, denn sie lernen in jedem Fall sehr viel und machen wichtige Erfahrungen für ihren weiteren Werdegang“, sagt Hartenfels. Seiner Meinung nach kann ein Job in einem Start-up ein Himmelfahrtskommando sein, sollte die Firma scheitern. Ein Karriere-Beschleuniger ist er in jedem Fall.

Im Vergleich zu Konzernen ist in Start-ups vieles viel kleiner. Die Firma und die Teams zum Beispiel. „Wir sind elf Mitarbeitende und ich sehe fast jeden Tag jede Kollegin oder jeden Kollegen und spreche daher mit allen, manchmal nur kurz“, sagt Heimerman. Dennoch weiß er stets, welches Projekt läuft und welches nicht. Das gibt es in großen Firmen schon aufgrund ihrer Größe nicht. Dort hat jeder seine Aufgabe und seinen Zuständigkeitsbereich, mit mehr oder weniger hohen Mauern. In Start-ups ist das Budget viel kleiner und „wenn mal ein Projekt nicht läuft, wie geplant, ist der Druck höher, als in einem Konzern, weil knappes Geld vergeudet wurde“, so Heimerman. Mehrere Flops kann sich ein Start-up nicht leisten, im Idealfall sitzt deshalb eine Idee auf Anhieb.

In den T-Labs hätte Heimerman wahrscheinlich etwas mehr verdient, als bei Staex. Das Gehalt in Start-ups liegt laut Hartenfels lediglich 10 bis 15 Prozent unter dem Niveau von Großunternehmen.

Wer mit dem Risiko leben kann, dass ein Start-up nicht die Sicherheit eines großen und etablierten Unternehmens bietet, kann in einem jungen Unternehmen viel Spaß haben, sehr viel lernen und das in einer persönlichen Atmosphäre.

(mki)