John McAfee stirbt in spanischem Gefängnis

John McAfee ist am Mittwoch in der Zelle eines Gefängnisses in Barcelona gestorben. Stunden zuvor hatte ein Gericht seine Auslieferung an die USA zugelassen.

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John McAfee auf der DefCon 2015

(Bild: NullSession CC BY-SA 2.0)

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John McAfee ist tot. Der Software-Entwickler und Antiviren-Pionier ist am Mittwoch tot in einer Gefängniszelle in Barcelona aufgefunden worden. Spanische Behörden hatten den britisch-amerikanischen Prominenten im Oktober festgenommen, weil die US-Staatsanwalt ihn vor Gericht stellen wollte. Stunden vor seinem Tod hat ein spanisches Gericht die Auslieferung McAfees an die Vereinigten Staaten genehmigt.

Die US-Staatsanwaltschaft warf McAfee Steuerhinterziehung sowie vorsätzliche Unterlassung von Steuererklärungen vor, was strafrechtliche Delikte wären. Zusätzlich hat die US-Börsenaufsicht SEC den Vorwurf erhoben, McAfee habe den Kauf bestimmter Kryptowährungen empfohlen, ohne seine Werbehonorare offenzulegen. Daraus folgte eine Anklage gegen den Antiviren-Unternehmer McAfee wegen Betrugs und Geldwäsche.

McAfee wurde 75 Jahre alt. Die Ursache seines Todes wird derzeit untersucht. Die spanische Gefängnisverwaltung vermutet Suizid. Umgehende Wiederbelebungsversuche hätten nicht gefruchtet.

McAfee hat sich gegen seine Auslieferung an die USA gewehrt. Die Gerichtsentscheidung vom Mittwoch war noch nicht rechtskräftig, der Mann hätte Rechtsmittel einlegen können. Die Anklage wegen Steuerhinterziehung bezieht sich auf die Jahre 2014 bis 2018. In Bezug auf 2014 und 2015 hat das spanische Gericht die Auslieferung abgelehnt, da McAfee für diesen Zeitraum keine Straftaten, sondern bloß verwaltungsrechtliche Vergehen vorgeworfen würden.

Für die Jahre 2016 bis 2018 nenne die US-Staatsanwaltschaft jedoch strafrechtlich relevante Tatbestände, weshalb McAfee ausgeliefert werden könne. Er hatte in dem Verfahren behauptet, Millionen an Steuern gezahlt zu haben. Die Anklage sei Ausweis politischer Verfolgung aus Rache dafür, dass er Korruption bei der US-Steuerbehörde offengelegt habe.

Das Gericht hat laut der Tageszeitung El Mundo jedoch festgestellt, dass McAfee über seine Behauptungen hinaus keine Beweise für politische oder ideologische Verfolgung vorgelegt habe. Also könne er ausgeliefert werden.

John David McAfee wurde 1945 in einer US-Armeebasis im englischen Gloucestershire geboren. Seine Mutter war Britin, sein Vater US-Soldat. Der alkoholkranke Vater soll seinen Sohn missbraucht haben. Als John 15 Jahre alt war, nahm sich sein Vater das Leben.

Trotzdem schaffte der junge Mann es zu einem Studium am Roanoke College in Virginia. 1967 schloss er mit einem Bachelor in Mathematik ab. Laut BBC begann McAfee ein Doktoratsstudium in Louisiana, wurde jedoch von der Uni geschmissen: Er hatte mit einer Mentee, seiner späteren Frau, geschlafen. Dennoch sollte McAfee Doktor werden: 2008 verlieh ihm das Roanoke College die Ehrendoktorwürde.

Nach seinem Studium bekam er eine Anstellung als Programmierer bei der NASA. Zu seinen weiteren Karriereschritten zählten Software Design für Univac, Betriebssystem-Architekt für Xerox, sowie Beschäftigungen bei der Computer Sciences Coproration, Booz Allen Hamilton und Lockheed.

Dort erhielt er eine Kopie des vermutlich ersten Computervirus für IBM PCs namens Brains. Daraufhin begann McAfee mit der Entwicklung von Antiviren-Software. 1987 gründete er McAfee Associates, eine der ersten Antivirus-Firmen. Bereits 1994 zog er sich aus dem Unternehmen zurück. 2006, zwei Jahre nach dem Börsengang der nach ihm benannten Firma, soll John McAfee seine letzten Aktien verkauft haben.

Im selben Jahr brach McAfees Vermögen zusammen. Von einst 100 Millionen US-Dollar sollen nach Börsencrash und dem Platzen der US-Immobilienblase nur vier Millionen übrig geblieben sein, wie die New York Times damals berichtete. McAfee musste seine letzte Immobilie versteigern.

McAfee zog nach Belize und gründete eine Reihe Startups. Im April 2012 wurde sein Haus von einer Spezialeinheit gestürmt, die dort ein Drogenlabor vermuteten. Der Verdacht erhärtete sich nicht: Das Labor war eines seiner Startups, das unter Leitung einer US-Mikrobiologin nach pflanzlichen Arzneimitteln forschte.

Im November des Jahres wurde McAfees Nachbar erschossen. Medien verdächtigten McAfee, den Mord in Auftrag gegeben zu haben, weil der Nachbar zuvor McAfees Hunde vergiftet hatte. Die Behörden Belizes wollten McAfee befragen. Der Mann wollte aber nicht antworten und flüchtete nach Guatemala, von wo McAfee in die USA abgeschoben wurde. Angeklagt wurde er nie, nach eigenen Angaben von den Behörden auch gar nicht verdächtigt.

Allerdings verklagte ihn die Familie des Opfers auf 25 Millionen US-Dollar Schadenersatz. Weil McAfee die Klage ignorierte, erging 2019 ein Versäumnisurteil. Gezahlt hat er die 25 Millionen nicht – nach eigenen Angaben war er mittellos. "Ich habe auf keine einzige der 37 Klagen gegen mich in den letzten elf Jahren geantwortet", twitterte er damals, "Ich weigere mich, das Erpressungsspiel mitzuspielen."

Die Summe der unbezahlten Versäumnisurteile belaufe sich auf über 200 Millionen US-Dollar, sagte McAfee damals. "Fremde, die ich nie getroffen habe, sind auf meine Grundstücke gekommen, sofort hingefallen, und haben acht Klagen auf insgesamt 17 Millionen Dollar eingebracht", schilderte der Senior, "Ich habe kein Vermögen, also ist es wirklich vergebene Mühe." 2019 bezeichnete er US-Einkommensteuern als illegal und behauptete stolz, seit 2010 keine Einkommensteuererklärungen mehr abgegeben zu haben.

Logo der letzten Präsidentschaftskampagne John David McAfees

Das Unternehmen McAfee, seit 2010 im Eigentum Intels, wurde 2014 in Intel Security umbenannt – sehr zur Freude John McAfees, der mit der seiner Meinung nach "schlechtesten Software auf dem Planeten" nicht mehr in Verbindung gebracht werden wollte. Die Freude währte nicht lange: 2017 spaltete Intel das Unternehmen ab. Es heißt wieder McAfee und ist wieder börsennotiert. Der zweite Börsengang von McAfee war rund 740 Millionen Dollar schwer.

2016 und 2020 bewarb sich McAfee vergeblich um die Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Libertarian Party. Er versuchte dennoch, eine eigene Kampagne auf die Beine zu stellen – vergangenes Jahr zunächst von einem Boot, dann aus Havanna, Kuba und schließlich aus dem Gefängnis in Spanien.

Selbst von dort schaffte McAfee es bisweilen zu tweeten. Er habe zwar kein Geld mehr, fühle sich aber freier als je in seinem Leben, ließ der Insasse wissen. Er gab Drogengebrauch in enormem Ausmaß zu. Sein Gesundheitszustand sei schlecht, daher werde er das Ende seiner Verfahren wohl nicht erleben. Seine Frau, die er 2013 geheiratet hatte, berichtete, ihr Mann habe fast 14 Kilo Gewicht verloren und könne kaum noch gehen.

Das Schlimmste im Gefängnis sei das Essen, berichtete John McAfee seiner Million Follower. Es sei meist nicht von Rattenscheiße in Motoröl zu unterscheiden. Er vermisse lediglich seine Frau und habe bereits alle neun englischsprachigen Bücher der Gefängnisbibliothek gelesen. Er berichtete über die Gewalt im Gefängnis und sparte nicht mit Rat. Bisweilen war auch Selbsterkenntnis dabei: "Mein bester Freund und mein größter Feind waren beide ich selbst."

[Update 3:00 Uhr:] Umfangreiche Ergänzungen

(ds)