Jugendliche User Sozialer Netze weisen Ă„nderungen im Hirn auf
Gehirne Jugendlicher, die häufiger Soziale Netze abrufen, reagieren anders auf erwartetes Feedback. Was Henne, was Ei ist, zeigt die Studie nicht.
Jugendliche, die häufiger Soziale Netzwerke abrufen, sind sensibler was Feedback anderer Personen anbelangt, als Jugendliche, die selten oder kaum Soziale Netzwerke nutzen. Das zeigen Hirnscans einer aufwändigen wissenschaftlichen Studie aus den Vereinigten Staaten. Die Gehirne häufig respektive selten Soziale Netze nutzender Jugendlicher entwickeln sich in ausgewählten Bereichen sehr unterschiedlich.
Was die Studie nicht zeigt, ist, ob die Gehirnveränderungen die Folge der Nutzung Sozialer Netze ist, oder ob die persönliche Anlage der Probanden die Frequenz der Abrufe beeinflusst. Die klassische Henne-oder-Ei-Frage also. Die Autorinnen der in der kinderheilkundlichen Fachzeitschrift JAMA Pediatrics (Journal of the American Medical Association, peer-reviewed) veröffentlichten Studie empfehlen daher weitere Untersuchungen, insbesondere mit Kindern.
In der vorliegenden Studie wurden 178 Zwölfjährige von drei ländlichen Schulen in North Carolina dazu befragt, wie häufig sie Instagram, Snapchat und Facebook aufrufen. Wer mehr als 14 Aufrufe pro Tag angab, wurde in die Gruppe der gewohnheitsmäßigen Nutzer eingeteilt, bei ein bis 14 Aufrufen in die der moderaten Nutzer. Wer weniger als einen Aufruf pro Tag meldete, wurde als nicht-gewohnheitsmäßiger User eingestuft.
Anschließend wurden die Gehirne von 169 der Schüler mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRI) abgebildet, während sie ein bestimmtes Computerspiel spielten. Je schneller sie auf eine bestimmte Einblendung reagierten, desto besser respektive weniger schlecht waren die als Belohnung oder Bestrafung angezeigten Emoticons. Ein sowie zwei Jahre später wurden die Scans während des Computerspiels wiederholt. 63 Buben und 61 Mädchen durchliefen alle drei Scans.
Unterschiedliche Entwicklung ĂĽber zwei Jahre
Dabei zeigten sich unterschiedliche Aktivierungen in Hirnregionen, die mit Belohnung, der Erkennung von Unterschieden in der Umgebung sowie Regulierung und Kontrolle in Zusammenhang gebracht werden. Die Forscherinnen schließen aus den dabei gewonnenen Daten, dass gewohnheitsmäßige User über die Jahre immer sensibler hinsichtlich des Feedbacks wurden, während sich die weniger in Sozialen Netzen verfangenen Kommilitonen zunehmend weniger für Feedback interessierten.
Ein erheblicher Haken an der Studie: Die Häufigkeit der Abrufe von Facebook, Instagram und Snapchat wurde nur zu Beginn erhoben, nicht vor jedem Scan. Außerdem zeigt die Studie nur die generelle Richtung der Gehirnveränderungen, aber nicht in welchem Ausmaß sie sich verändern.
Was die Studie nicht sagt
Die Autorinnen unterstreichen, dass ihre Ergebnisse nicht aussagen, dass die Nutzung der Sozialen Netze das Gehirn der Jugendlichen verändere. Es ist ja durchaus möglich, dass extrovertiertere Menschen eher dazu neigen, Soziale Netze zu frequentieren, und die Gehirnscans eben diese Extrovertiertheit offenlegen.
Auch zur Frage, ob die Entwicklung positiv oder negativ ist, wollen sich die Autorinnen nicht festlegen. Die zunehmende Sensibilität auf Feedback könnte eine simple Adaption an die Mechanismen Soziale Netzwerke sein, und so dabei helfen, virtuell mit anderen in Verbindung zu treten; im negativen Fälle könnten sensiblere Jugendliche depressiv werden oder Angststörungen bekommen, wenn ihre sozialen Bedürfnisse nicht befriedigt werden.
Die vorliegende Studie (Association of Habitual Checking Behaviors on Social Media With Longitudinal Functional Brain Development, JAMA Pediatrics, 3. 1. 2023) legt nahe, dass es eine Korrelation zwischen bestimmten Gehirnentwicklungen und Nutzung Sozialer Netzwerke gibt; um die langfristigen Auswirkungen zu verstehen, wären weitere, längere Studien hilfreich, die nicht erst bei Jugendlichen, sondern schon bei Kindern ansetzen. Nicht zuletzt forscht Facebook-Betreiber Meta Platforms schon bei Achtjährigen.
(ds)