Justizministerium nimmt neuen Anlauf für EU-Einheitspatent

Die Regierung will das von Karlsruhe kassierte Gesetz für das EU-Patentgericht unverändert wieder dem Bundestag vorlegen. Dagegen wird protestiert.

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Justizministerium nimmt neuen Anlauf für EU-Einheitspatent

(Bild: EU-Kommission)

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Das Bundesjustizministerium hält unverändert an einem Gesetz zum EU-Einheitspatent fest, obwohl es vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt wurde. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat am Mittwoch einen Referentenentwurf veröffentlicht, um das europäische Übereinkommen von 2013 über ein einheitliches Patentgericht zum zweiten Mal durch das Parlament zu bringen. "Der Wortlaut des Gesetzes ist unverändert", heißt es darin. Nur die Begründung enthalte "notwendige Aktualisierungen": So solle der vom Verfassungsgericht festgestellte Formmangel behoben werden, indem das Vertragsgesetz von Bundestag und Bundesrat nun mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werde.

2017 war die Entscheidung der rund 40 versammelten Volksvertreter komplett ohne Gegenstimmen oder Enthaltungen zustande gekommen. Theoretisch könnte die Zweidrittelmehrheit im zweiten Anlauf erreicht werden. Denkbar ist aber auch, dass sich Teile der Opposition diesmal querstellen, zum Beispiel da sich die Voraussetzungen für das Einheitspatent mit dem Rückzug der Briten deutlich gewandelt haben.

Ausgemachte Gegner der Patentinitiative und auf gewerblichen Rechtsschutz spezialisierte Anwälte zeigen sich bereits konsterniert von dem Vorhaben. Sollte Deutschland den internationalen Vertrag formell noch mit London als Sitz eines Teils des vorgesehenen Patentgerichtshofs ratifizieren, würde es den Brexit völlig ignorieren und "EU-Recht verletzen", warnt der Förderverein für eine freie informationelle Infrastruktur (FFII). Höchstrichterlich sei klargestellt, dass solche Abkommen nur EU-Mitgliedsstaaten offen ständen.

Dem FFII zufolge hat das Ministerium keine Analysen publiziert, wie sich das geplante Einheitspatent auf kleine und mittlere Unternehmen auswirken und das Europäische Patentamt rechtskonform eingebunden werden könnte. Der Verein warnt seit Langem, dass vor allem große US-Konzerne und "Patent-Trolle" künftig über die neue Gerichtsinstanz mittelständische Firmen ohne großes Portfolio an gewerblichen Schutzrechten in der EU in Grund und Boden klagen könnten. Besonders die umkämpften Softwarepatente wären durch die vereinheitlichte Rechtsprechung leichter durchsetzbar.

Der Düsseldorfer Patentanwalt Ingve Stjerna hatte das Verfahren in Karlsruhe angestrengt und beklagte neben den formalen auch inhaltliche Verstöße gegen das Grundgesetz wie etwa die Auswahl der EU-Patentrichter. Damit setzte sich das Verfassungsgericht aber nicht auseinander. Da sich der neue Gesetzentwurf mit derlei Belangen nicht beschäftige, wäre das Patentgericht nach wie vor angreifbar, erklärte der Münchner Patentanwalt Tilman Müller-Stoy gegenüber dem Fachdienst Juve.

Sein Kollege Alan Johnson warf die Frage auf, ob Großbritannien automatisch dem Übereinkommen angegliedert werde, wenn London weiter als Gerichtsstand angegeben werde und die britische Regierung nicht offiziell aus dem Vertrag ausgestiegen sei. Der Patentanwalt Winfried Tilmann unterstützt dagegen den Entwurf des Justizministeriums. Er hatte zuvor dargelegt, dass die London-Frage und Alternativen auch noch entschieden werden könnten, wenn der Vertrag von allen benötigten Parteien unterschrieben sei.

(anw)