KI-Update Deep-Dive: Urheberrecht im Zeitalter der generativen KI

Der Rechtsexperte Tim W. Dornis spricht ĂĽber die rechtlichen Grauzonen beim Training von KI-Modellen.

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Inhaltsverzeichnis

Die Entwicklung künstlicher Intelligenz hat eine zentrale rechtliche Herausforderung offenbart: Dürfen KI-Unternehmen fremde Werke ohne Erlaubnis zum Training ihrer Systeme nutzen? Professor Tim W. Dornis von der Leibniz Universität Hannover sieht dabei klare Probleme. Gemeinsam mit dem KI-Professor Sebastian Stober von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg hat er sich für die Open-Access-Studie "Urheberrecht und Training generativer KI-Modelle – Technologische und juristische Grundlagen" mit der Frage auseinandergesetzt, ob das Training von KI Modellen unter das Text- und Data-Mining (TDM) fällt, auf das sich KI-Unternehmen gern berufen. Die Studie wurde von der Initiative Urheberrecht beauftragt.

Die EU-Richtlinie zum TDM erlaubt unter bestimmten Bedingungen die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke für Forschungszwecke. Doch Dornis argumentiert, dass generatives KI-Training über das klassische TDM hinausgeht. Seiner Ansicht nach repliziert KI-Training die statistischen Eigenschaften der Daten, anstatt lediglich Informationen herauszufiltern. Dies verdeutlicht er am Beispiel von Bildern: KI-Modelle seien in der Lage, spezifische Elemente wie ein Sofa aus den Trainingsdaten nahezu eins zu eins zu reproduzieren. "Und das ist dann auch der Bestandteil der Tätigkeit von generativer KI, der urheberrechtsverletzend ist."

Die Rechtslage variiert zwischen den USA und Europa erheblich. "Fair Use ist das Schlagwort in den USA", sagt Dornis. Das erlaubt die Nutzung, wenn es der Gemeinschaft dient. Im europäischen Recht hingegen existiert ein Katalog spezifischer Schrankenregelungen. Diese unterschiedlichen Rechtsauffassungen führen zu komplexen Fragen der Rechtsanwendung, insbesondere bei international agierenden Unternehmen. "Das Urheberrecht ist territorial", betont Dornis. Amerikanische Unternehmen könnten argumentieren, dass sie in Deutschland kein Urheberrecht verletzt haben, da sie in den USA unter dem Fair Use Act handeln.

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Die laufenden Gerichtsverfahren zeigen die Komplexität der Situation. Die GEMA hat OpenAI in Deutschland verklagt. Sie muss dafür zunächst beweisen, dass OpenAI überhaupt in Deutschland gehandelt hat. Gelingt das, müsste sie zudem darlegen, dass durch das Angebot von ChatGPT in Deutschland eine Urheberrechtsverletzung stattgefunden hat. Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht. "Wir rechnen mit einem Zeitraum von ein bis drei Jahren, bis erste grundlegende Entscheidungen fallen", prognostiziert der Rechtswissenschaftler. Klar sei aber auch: "Es werden auch noch mehr Gerichtsverfahren anhängig werden." Denn die Rechteinhaber und Rechteinhaberinnen stünden unter Druck und empfänden die derzeitige Situation "als belastend und schädigend".

Podcast: KI-Update

Wie intelligent ist Künstliche Intelligenz eigentlich? Welche Folgen hat generative KI für unsere Arbeit, unsere Freizeit und die Gesellschaft? Im "KI-Update" von Heise bringen wir Euch gemeinsam mit The Decoder werktäglich Updates zu den wichtigsten KI-Entwicklungen. Freitags beleuchten wir mit Experten die unterschiedlichen Aspekte der KI-Revolution.

Die Möglichkeit eines Opt-out für Rechteinhaber, um ihre Werke für das KI-Training zu sperren, sieht Dornis kritisch. Er bezweifelt die Effektivität und Durchsetzbarkeit solcher Vorbehalte, insbesondere für einzelne Urheberinnen und Urheber. Lizenzvereinbarungen mit großen Verlagen könnten zwar ein Weg sein, doch die Berechnung eines fairen Ausgleichs für die Nutzung von Trainingsdaten bleibt eine Herausforderung.

Trotzdem sieht Dornis die Debatte nicht als Innovationsbremse. "Es geht nicht darum, Technologien zu verhindern, sondern faire Rahmenbedingungen zu schaffen." Die zentrale Frage bleibt: Wie können Kreative angemessen für ihre Beiträge zum KI-Training entschädigt werden? Langfristig erwartet er eine Marktberuhigung, bei der die Kosten für die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke an die Verbraucher weitergegeben werden. "Dinge, die wir im Moment noch kostenlos nutzen", könnten dann "nur noch gegen Gebühr" verfügbar sein. Er persönlich könnte aber ganz gut damit leben, "nicht mehr jeden Tag ein künstliches Katzenbild zu sehen."

(igr)