KI ermöglicht, Technik des Malers Jackson Pollock zu imitieren
Mit maschinellem Lernen und Inspiration aus der Kunstszene hat ein Team aus Harvard herausgefunden, wie 3D-Druck auch aus größerer Distanz funktionieren könnte.
- Eike KĂĽhl
Lakshminarayanan Mahadevan hat besondere Interessen. Der indisch-amerikanische Mathematiker und Biologe ist Leiter des Soft Math Lab in Harvard und untersucht dort unter anderem die mathematischen Eigenschaften von Objekten und Materialien, die auf den ersten Blick wenig mit Mathematik zu tun haben: Die FlĂĽgel von Insekten beispielsweise, die Bewegung von Pilzen oder die Art und Weise, wie Farbe und andere FlĂĽssigkeiten tropfen. Letzteres hat Mahadevan dazu inspiriert, eine neue Form des 3D-Drucks zu entwickeln, die sich der Kunst von Jackson Pollock bedient.
Pollock war Vertreter des abstrakten Expressionismus und vor allem für seine Drip-Paint-Technik bekannt. Statt Farbe mit einem Pinsel aufzutragen, hat er sie von oben auf seine Werke tropfen lassen oder sie großflächig der Leinwand entgegengeschleudert. Dieses Verfahren ist so ziemlich das Gegenteil des 3D-Drucks, bei dem das zu druckende Material millimetergenau und aus kürzester Entfernung Schicht um Schicht aufgetragen wird, um Instabilitäten zu vermeiden.
Mahadevan und sein Team haben beide Techniken nun kombiniert, um damit einen 3D-Druck "mit Abstand" zu ermöglichen. Die Ergebnisse wurden nun im Fachmagazin "Soft Matter" veröffentlicht. "Wir wollten eine Technik entwickeln, die Faltungs- und Wickelinstabilitäten von Flüssigkeiten ausnutzt, anstatt sie zu vermeiden", sagt Gaurav Chaudhary, Erstautor der Studie. Indem man die Schwerkraft für sich arbeiten lasse, könne man auf einer größeren Leinwand drucken, als es gewöhnliche 3D-Drucker derzeit ermöglichen.
Ein Algorithmus, der Jackson Pollock entschlĂĽsselt
Die Herausforderung bestand darin, mathematisch zu berechnen, wie sich das flüssige Substrat unter Einfluss von Bewegungen und Schwerkraft verhält und ob man auf Basis dessen einem 3D-Drucker entsprechende Anweisungen geben kann. Leichter gesagt, als getan: Dichte, Viskosität, Höhe sind nur drei Variablen, die es dabei zu beachten gilt. Inspiration kam von früheren Arbeiten von Mahadevan, in denen dieser unter anderem die Fluiddynamik von Honig untersucht hatte, die wiederum erklärt, wie Jackson Pollock trotz der scheinbar chaotischen Methode seine Farbe zielsicher auftragen konnte.
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Die 25 Jahre alten Erkenntnisse über die Eigenschaften von Honig und anderen Flüssigkeiten hat das Team nun mit neuen Techniken des maschinellen Lernens kombiniert. Der entsprechende Algorithmus hat gelernt, aus welcher Entfernung, mit welchem Druck und mit welcher Bewegung ein 3D-Drucker drucken müsste, um Pollocks Drip-Paint-Technik zu emulieren und dabei trotzdem möglichst genau zu arbeiten, sprich um ein 3D-Objekt zu drucken, das der Vorgabe entspricht.
"Mit Deep-Reinforcement-Learning konnte das Modell aus seinen Fehlern lernen und mit jedem Versuch immer genauer werden", sagt Chaudhary. Mit entsprechendem Training war das Modell der Forschenden schließlich in der Lage, nicht nur komplexe Objekte in vergleichsweise kurzer Zeit (verglichen mit gewöhnlichem 3D-Druck) zu erschaffen. Der Algorithmus konnte theoretisch sogar Teile eines Pollock-Gemäldes kopieren. Das Team hatte quasi die Technik des Künstlers reverse engineered.
Dass aufgrund der Erkenntnisse die 3D-Druck-Branche nun auf "Action Painting" umstellt, ist unwahrscheinlich, denn schließlich eignet sich die Technik nur für wenige Anwendungen. Lakshminarayanan Mahadevan sieht die Studie deshalb auch primär als Inspiration dafür, dass es sich lohnen kann, "physikalische Prozesse für funktionale Ergebnisse" einzusetzen, wie er sagt.
(jle)