Observatorium im Mittelmeer findet Neutrino mit Energierekord
Europa baut im Mittelmeer ein riesiges Observatorium fĂĽr Neutrinos. Obwohl es noch nicht fertig ist, hat es schon einen Energierekord erfasst.
Myon-Ereignis KM3-230213A im KM3NeT: Die Herkunft des Neutrinos ist noch unbekannt.
(Bild: KM3NeT)
Noch nicht offiziell in Betrieb, aber schon einen Rekord gemessen: Das europäische Observatorium Cubic Kilometre Neutrino Telescope (KM3NeT) hat das bisher energiereichste Neutrino überhaupt gemessen.
Das Neutrino hatte eine Energie von 220 Petaelektronenvolt, berichten die Forscher in der Fachzeitschrift Nature. Das sei mehr als das Zwanzigfache des bisher energiereichsten Neutrino. Die Entdeckung erfolgte bereits am 13. Februar 2023, berichtet das Centre national de la recherche scientifique (CNRS), die nationale französische Forschungsorganisation.
Neutrinos sind elektrisch neutrale, weitgehend masselose Teilchen. Sie bewegen sich beinahe mit Lichtgeschwindigkeit und gehen fast nie eine Wechselwirkung mit Atomen ein. Sie können beispielsweise die Erde mehr oder weniger ungehindert durchqueren.
Wissenschaftlich sind diese Teilchen sehr interessant, weil sich Forscher Erkenntnisse über deren Quelle erhoffen. Neutrinos werden bei sehr energiereichen Ereignissen im All freigesetzt, etwa Sternenexplosionen, Gammablitzen oder supermassiven schwarzen Löchern im Zentrum einer Galaxie.
Neutrinos sind kosmische Boten
Neutrinos seien "besondere kosmische Boten", die einzigartige Informationen über sehr energiereiche Phänomenen lieferten, erklärt Rosa Coniglione, stellvertretende KM3NeT-Sprecherin. Sie ermöglichen es, die entferntesten Bereiche des Universums zu erforschen.
Detektiert werden Neutrinos über Wechselwirkungen mit Materie. Dafür bedarf es riesiger Observatorien wie KM3NeT im Mittelmeer. Es hat zwei Standorte: ARCA vor der sizilianischen Küste, das das Neutrino erfasste, und ORCA vor der südfranzösischen Küste. Es besteht jeweils aus mehreren hundert am Meeresgrund verankerten, 700 Meter langen Detection Units (DU), an denen jeweils 18 kugelförmige Detektoren (Digital Optical Modules, DOM), befestigt sind.
Kollidiert ein Neutrino mit einem Atom, entstehen elektrisch geladene Teilchen, sogenannte Myonen. Wenn sie sich durch das Wasser bewegen, erzeugen sie schwache, bläuliche Lichtblitze, die die Detektoren erfassen.
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Das Ereignis KM3-230213A erzeugte laut CNRS ein einziges Myon, das das gesamte ARCA-Sensorfeld durchquerte und von mehr als einem Drittel der aktiven Sensoren erfasst wurde. KM3NeT ist noch im Aufbau. Zu dem Zeitpunkt waren allerdings erst knapp 10 Prozent der Stränge im Einsatz.
ARCA (Astroparticle Research with Cosmics in the Abyss) befindet sich in 3500 Metern Tiefe und soll in der finalen Ausbaustufe aus 230 DUs bestehen. Derzeit sind es 28. ORCA (Oscillation Research with Cosmics in the Abyss) besteht derzeit aus 23 DUs in 2450 Meter Tiefe, die jeweils 200 Meter lang sind, und soll auf 115 aufgebaut werden. Ein dritter KM3Net-Standort ist vor der griechischen WestkĂĽste geplant.
Die Herkunft von KM3-230213A ist noch ungeklärt. Seine hohe Energie lässt darauf schließen, dass es nicht aus der Atmosphäre stammt, sondern aus dem Weltraum kam. Die Forscher haben den Bereich des Himmels, aus dem das Teilchen kam, eingegrenzt. Sie konnten aber den Ursprung noch nicht identifizieren.
(wpl)