Kampf gegen Tech-Fachkräftemangel: Ohne Frauen geht es nicht

Ob bei IT- oder Ingenieursjobs: Überall beklagen Firmen Fachkräftemangel. Branchenvertreter sagen: Ohne mehr Frauen in dem Feld wird es auch nicht besser.

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(Bild: Gorodenkoff/Shutterstock.com)

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Um dem Fachkräftemangel in der Tech-Branche beizukommen, müssen nach Ansicht von Branchenvertretern verstärkt Frauen rekrutiert werden. So sind etwa einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom zufolge 59 Prozent der befragten ITK-Firmen der Meinung, dass die Mangellage ohne Frauen nicht zu lösen sein wird. Rund drei Viertel hätten sogar angegeben, dass die IT-Branche ohne Frauen ihre Zukunft verspiele. Befragt wurden Führungskräfte aus mehr als 500 Branchenfirmen verschiedener Größe.

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"Es ist völlig klar: Wir brauchen viel mehr Frauen in den IT-Berufen", sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. 61 Prozent der befragten Unternehmen sind demnach der Meinung, die Politik müsse mehr tun, um Frauen in der ITK zu fördern. So hätten zwar gerade größere Firmen spezielle Förderprogramme aufgesetzt, doch Berg zufolge stellten die Unternehmen fest, dass das nicht genüge. Es müsse bereits an den Hochschulen und Schulen angesetzt werden, um junge Frauen und Mädchen für die technischen Fächer zu begeistern.

Zugleich müsse aber auch die Branche für Frauen attraktiver werden. 69 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die ITK-Firmen das Potenzial von Frauen unterschätzen. 59 Prozent glauben, dass die Branche Frauen abschrecke. Allerdings zeigte die Umfrage auch andere Ansichten: 38 Prozent der Befragten hätten auch angegeben, dass Männer für dieses Berufsfeld einfach besser geeignet seien. Gerade in kleineren Unternehmen sei diese Sicht verbreiteter. Wer aber von solchen Annahmen ausgehe, verbaue seinem Unternehmen Entwicklungschancen, sagte Berg.

Laut einer Analyse des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) liegt der Anteil der Frauen an den Digitalisierungsberufen Stand Juni 2022 bei 16,3 Prozent. Das erfasste Feld beinhaltet dabei Jobs wie Softwareentwickler, IT-Anwendungsberater, Mechatroniker, Bauelektriker und Computerlinguisten. Von 14,6 Prozent im Jahr 2013 auf 16,3 Prozent im Jahr 2022 sei der Anteil der Frauen auch nur marginal gewachsen, um 1,7 Prozentpunkte. Das Forscherteam sieht darin eine der Ursachen der Fachkräfteknappheit. Schulische Bildung und Mentoringprogramme könnten Ansatzpunkte sein, um die Lage zu verbessern.

Ähnlich wie beim Bitkom beurteilt man auch beim Ingenieursverband VDMA die Situation. Auch hier pressiert das mangelnde Angebot an Arbeitskraft: Zuletzt habe laut Verband nur jedes dritte Unternehmen Stellen für Ingenieurinnen und Ingenieure wie geplant besetzen können. Zugleich gebe es nach wie vor zu wenig Ingenieurinnen im Maschinen- und Anlagenbau, beklagt der Verband. Der Frauenanteil unter den Ingenieurbeschäftigten sie von rund 9 Prozent (2019) auf zuletzt gut 11 Prozent (2022) gestiegen. "Wir brauchen mehr Schülerinnen und Studentinnen, Facharbeiterinnen und Ingenieurinnen, die in unserer Industrie Zukunft produzieren wollen", betont VDMA-Vizepräsident Henrik Schunk.

Eine Studie des Verbands ergab, dass Unternehmen, die Praktika, Exkursionen oder Abschlussarbeiten für Studentinnen anbieten, erfolgreicher beim Rekrutieren sind. Ebenfalls hätten die bei der Studie befragten Studentinnen und Ingenieurinnen ein Bedürfnis nach sichtbaren weiblichen Vorbildern geäußert. Mentoringprogramme, Ingenieurinnen-Netzwerken oder Vorträge auf Fach- und Berufsmessen könnten dabei helfen. Auch sollten Unternehmen laut VDMA an der inhaltlichen und visuellen Gestaltung ihrer Webauftritte und Stellenausschreibung schrauben: So habe die Studie gezeigt, dass Frauen auf Unternehmenswebsites oft unterrepräsentiert seien.

Allerdings gibt es auch Branchen des MINT-Bereichs, in denen sich die Lage ganz anders darstellt: In den Kernberufen der pharmazeutischen Industrie ist das Geschlechterverhältnis deutlich ausgeglichener, so ein aktuelles Forschungsergebnis des IW. Im Jahr 2021 lag demnach der Anteil sozialversicherungspflichtig beschäftigter Frauen in dem Feld bei rund 45 Prozent. Je höher das Fachkraftniveau, umso höher auch der Frauenanteil: Auf Spezialistenniveau mit Bachelor- oder Fortbildungsabschluss lag der Anteil mit 53 Prozent, auf Niveau von Master- oder Diplomabschluss bei 56 Prozent.

Wohl auch durch dieses ausgewogene Verhältnis sei die Pharmaindustrie deutlich weniger von Fachkräften-Engpässen belastet, folgert das IW. Vorige Analysen hätten nämlich aufgezeigt, dass vor allem geschlechtstypische Berufe, in denen überwiegend Männer oder überwiegend Frauen arbeiten, von solchen Knappheiten betroffen sind.

Um sich attraktiver zu machen, habe die Branche nicht nur auf attraktive Gehälter gesetzt, sondern auch auf Maßnahmen, um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können: flexible Arbeitszeitmodelle, Unterstützung bei der Kinderbetreuung sowie die Schaffung passender Rahmenbedingungen für einen Wiedereinstieg. Zudem strebten viele Pharmaunternehmen Geschlechterparität an. Nur bei der Chefetage zeigt sich das noch nicht: Rund jede fünfte Top-Führungskraft ist laut Studie eine Frau. Aber die Frauen holten auch hier auf.

(axk)