Kanzler Scholz wirbt für Behörden-Cloud von SAP und Microsoft und blitzt ab

Der Kanzler persönlich hat sich – nach einem Termin mit SAP – für die Delos-Cloud des Konzerns stark gemacht. Doch die Bundesländer ließen Scholz abblitzen.

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Kanzler Olaf Scholz am Rednerpult

(Bild: Bundesregierung/Guido Bergmann)

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) setzt sich persönlich für ein Cloudprojekt von SAP und Microsoft ein. Bei einer Konferenz mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer am 20. Juni "informierte" Scholz über das Cloudangebot, das Behörden von Bund und Ländern ein besonders hohes Datenschutzniveau für Microsoft-Dienste bieten soll. Das geht aus Unterlagen zu einer Sitzung des IT-Planungsrates hervor, die c't vorliegen.

Was der Kanzler bei der Konferenz genau sagte, wollte ein Regierungssprecher gegenüber c't nicht ausführen. Laut einem Bericht des Handelsblatts appellierte Scholz an die Länderchefs, eine Zusage für die Nutzung der Cloud abzugeben. Man könne nicht auf eine solche souveräne Cloud verzichten. Wörtlich soll er gesagt haben, es sei ein "ganz entscheidender Moment für Deutschland" und er würde "einen Vertrag sofort unterschreiben". Laut der Zeitung hatte Scholz kurz vor der Konferenz einen Termin mit SAP-Chef Christian Klein.

Bei der Ministerpräsidentenkonferenz am 20. Juni sprach Bundeskanzler Olaf Scholz die Delos-Cloud von SAP und Microsoft an.

(Bild: Bundesregierung/Guido Bergmann)

Den Unterlagen des IT-Planungsrates zufolge vereinbarten Scholz und die Ministerpräsidenten, dass sich Bund und Länder "zeitnah erneut in einem geeigneten Format austauschen". Das Bundesinnenministerium berief daraufhin kurzfristig eine Sondersitzung des IT-Planungsrats ein und formulierte einen Beschlussvorschlag. Diesem zufolge sollte das Gremium "das Interesse von Ländern und Kommunen" an der SAP-Microsoft-Cloud begrüßen sowie "den potentiellen Mehrwert dieser gemeinsamen Nutzung" anerkennen.

Mit dem Beschlussvorschlag blitzte der Bund jedoch bei den Ländern ab: Auf der Sitzung kam kein Beschluss zustande. Laut Aussagen von Teilnehmern fühlten sich die Vertreter mehrerer Länder vom Bund überfahren.

Schleswig-Holstein und Thüringen hatten bereits zuvor einen Änderungseintrag eingebracht, der das Microsoft-SAP-Projekt implizit kritisiert. "Für die Souveränität eines Staates ist die Fähigkeit, Betriebsprozesse der eingesetzten IT-Lösungen beeinflussen zu können und Herr über die staatlichen Datenflüsse zu sein, unabdingbar", heißt es darin – ein Seitenhieb gegen die proprietäre Microsoft-Software, die das Kernstück der Cloud bildet. Schleswig-Holstein setzt bei seinen Behörden auf Open-Source-Software und steigt aktuell auf Libre Office um.

Scholz dürfte das Microsoft-SAP-Projekt schon länger kennen: Der US-Konzern machte der Bundesregierung schon im Jahr 2021 das Angebot, zusammen mit einer deutschen Betreibergesellschaft eine spezielle Behördencloud aufzubauen. Aufseiten des Bundes führte das Finanzministerium die Verhandlungen mit Microsoft – und damals war Scholz noch Finanzminister. 2022 gaben SAP und Arvato Systems bekannt, dass sie den Betrieb der Cloud übernehmen wollen.

Durch dieses Modell sollen die Daten juristisch vor dem Zugriff durch US-Behörden sicher sein. Microsoft soll lediglich die Software zuliefern, die SAP-Tochter Delos hingegen soll die Cloud als Eigentümer verantworten und vermarkten, Arvato Systems will die Rechenzentren betreiben. Auch aufwendige technische Schutzmaßnahmen sind geplant: Laut Delos wird Microsoft den Behörden zum Beispiel den Quellcode aller Updates bereitstellen. Die Beteiligten sprechen deshalb von einer "souveränen" Cloud. Deren Aufbau läuft bereits: Nach Informationen von c't stattet Microsoft zurzeit Rechenzentren mit der nötigen Technik aus.

Bei SAP scheint man nun jedoch nervös zu sein, was die Erfolgsaussichten angeht. Ein Anzeichen dafür ist der überraschende Abgang von Delos-Chef Georges Welz, der vor Kurzem durch Oliver Grothe-Kersten ersetzt wurde. Ob SAP-Chef Christian Klein das Delos-Projekt bei seinem Termin mit Kanzler Scholz ansprach, ist nicht bekannt. Der Konzern sagt dazu: "Als führender DAX-Konzern und Arbeitgeber in Deutschland stehen wir im ständigen Austausch mit der Regierung. Inhalte unserer Gespräche kommentieren wir allerdings nicht." Dem Vernehmen nach wünscht man sich bei SAP jedenfalls stärkere Interessenbekundungen seitens der Politik.

Der Konzern steckt in dem Dilemma, dass er vorab Milliarden investieren muss, während der Bund laut seinen Plänen noch bis Ende 2026 prüft, ob die Cloud die staatlichen Anforderungen zum Beispiel in Sachen Informationssicherheit und Geheimschutz einhält. In die Prüfungen ist auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) eingebunden, das "rote Linien" für Cloud-Dienste formuliert hat. Nur, wenn das Ergebnis positiv ausfällt, können Behörden die Cloud-Dienste buchen.

Hinzu kommt für SAP das Problem, dass die IT-Strategien der Bundesländer und Kommunen sich unterscheiden. Schleswig-Holstein und Thüringen setzen vergleichsweise stark auf Open Source. Andere Bundesländer wollen hingegen zumindest vorerst und in bestimmten, weniger sensiblen Bereichen Microsoft-Dienste aus der Public Cloud beziehen – also direkt von Microsoft statt von Delos und damit voraussichtlich günstiger.

Niedersachsen zum Beispiel handelte im April mit Microsoft spezielle datenschutzrechtliche Regelungen für die Nutzung von Teams aus und überzeugte damit den Landesdatenschutzbeauftragten. Dieser hält das Ergebnis für verbesserungswürdig, aber "akzeptabel". Hamburg arbeitet bereits an der Einführung von Microsoft 365 in der Landesverwaltung.

(cwo)