"Souveräne" Cloud: Microsoft lockt Bundesregierung mit kostenloser Testplattform
Ein Microsoft-Papier zeigt: Der Konzern will auf eigene Kosten eine "souveräne Cloud-Plattform" für den Bund entwickeln, knüpft das aber an eine Bedingung.
Microsoft will auf eigene Kosten eine "souveräne Cloud-Plattform" für die Bundesregierung entwickeln und für einen Testbetrieb bereitstellen. Im Gegenzug stellt der Konzern allerdings Forderungen und will außer Bundesbehörden auch Länder und Kommunen als Nutzer gewinnen. Der Konzern könnte so Fakten schaffen, bevor Open-Source-Alternativen bereitstehen. Bereits zuvor war bekannt geworden, dass die Bundesregierung mit Microsoft über den Aufbau einer abgeschotteten Cloud-Plattform verhandelt.
Microsoft fasst seinen Vorschlag in einem vertraulichen "Positionspapier" zusammen, das c't vorliegt. Darin erklärt der Konzern seine Bereitschaft, mit einer "operativ funktionalen Cloud-Plattform" nachzuweisen, dass er die Anforderungen des Bundes an Datenschutz und IT-Sicherheit erfüllen kann. Diesen Nachweis würde man ohne Vorab-Investitionen der öffentlichen Hand erbringen, das finanzielle Risiko liege somit "vollständig bei Microsoft".
Bund soll Zusage geben
Um diese "Vorausleistungen zu rechtfertigen", müsste der Bund sich aber bereiterklären, die Plattform für die produktive Nutzung freizugeben, sobald die Einhaltung aller Anforderungen festgestellt sei, heißt es weiter in dem Microsoft-Papier vom März. Über diesen Aspekt hatte zuvor bereits das Handelsblatt berichtet. Außerdem wünscht der Konzern sich, dass der Bund die Plattform auch für die Verwaltungen der Länder und Kommunen freigibt. Kosten entstünden erst "nach erfolgter Abnahme auf Basis der produktiven Nutzung".
In seinem Positionspapier wünscht sich Microsoft zudem "zeitnah" Gespräche über den Aufbau einer deutschen Betreibergesellschaft für die Cloud-Plattform. Nur mithilfe einer solchen Gesellschaft könne der Bund seine Anforderungen vollständig überprüfen. Ähnlich wie bei der für private Unternehmen gedachten "Microsoft Cloud Deutschland" könnte Microsoft zwar die Software liefern, das zugehörige Rechenzentrum soll aus Datenschutzgründen jedoch von einer deutschen Gesellschaft betrieben werden.
Außerdem wünscht sich Microsoft eine schriftliche Übereinkunft mit der Bundesregierung, um "für beide Seiten Planungssicherheit" zu schaffen. Bislang gibt es keinen solchen Deal, wie das Bundesfinanzministerium auf Nachfrage von c't mitteilte. Man befinde sich in Gesprächen mit Microsoft.
Zuvor hatte das Ministerium bereits erklärt, dass es die "autarke" Cloud schrittweise testen und "in Abhängigkeit der dabei erzielten Ergebnisse" über die nächsten Schritte entscheiden will. Eine Validierung sei zum Teil in Konzeptform und zum Teil auch in einer Public-Cloud-Umgebung möglich. Ob tatsächlich ein Rechenzentrum gebaut werde, sei noch nicht entschieden.
Microsoft 365 und weitere Anwendungen
Laut Finanzministerium soll die angedachte Regierungscloud ein "vollständiges funktionales Abbild der Public-Cloud-Infrastruktur" darstellen. Die Behörden könnten also nicht nur Anwendungen wie Microsoft 365 dort laufen lassen, sondern auch spezielle Verwaltungssoftware.
Microsoft wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Positionspapier äußern. Zuvor hatte der Konzern erklärt, er sei "bereit, mit öffentlichen Verwaltungen an technischen Lösungen zu arbeiten", um Themen wie digitale Souveränität, einschließlich Datenschutz, Sicherheit und Autarkie, zu adressieren.
Eine Regierungscloud könnte Microsoft langfristig hohe Umsätze bescheren. Allein die Bundesverwaltung hatte 2019 rund 183.000 PC-Arbeitsplätze; Länder und Kommunen dürften gemeinsam auf eine noch deutlich höhere Zahl kommen. Im Haushaltsjahr 2020 kauften die Bundesministerien für knapp 180 Millionen Euro Softwarelizenzen, Cloud- und Serverdienste bei dem US-Konzern ein. Das Bundesinnenministerium will Open-Source-Alternativen aufbauen, um die Abhängigkeit von Microsoft zu verringern, steht dabei aber noch am Anfang.
(cwo)