Kartell-Prozess: Das letzte Wort von Microsoft

Microsoft fordert Richter Thomas Penfield Jackson erneut auf, grundsätzliche Änderungen am Strafantrag der Klägerseite vorzunehmen.

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Von
  • Jürgen Kuri

Überraschend hat Microsoft schon am gestrigen Abend (amerikanischer Ortszeit) seine Antwort auf die letzten Anträge der Kläger im Kartell-Prozess gegen den Softwarekonzern vorgelegt – eigentlich hätten die Gates-Mannen aus Redmond noch bis heute Zeit gehabt. Dementsprechend kurz fiel aber das letzte Wort Microsofts zum Verfahren und der vom US-Justizministerium beantragten Zerschlagung der Firma aus.

Auf vier Seiten fordert Microsoft den Richter Thomas Penfield Jackson erneut auf, grundsätzliche Änderungen am Strafantrag der Klägerseite vorzunehmen, falls er ihn für die Zumessung des Strafantrags in Betracht zöge. "Da die letzten Änderungen der Regierungen rein kosmetisch waren, waren wir darauf vorbereitet, unsere Antwort einzureichen", erklärte Firmensprecher Jim Cullinan gestern bei der Vorlage des Microsoft-Papiers. Es sei klar, dass der Strafantrag der Regierung eines der führenden Unternehmen der Hightech-Branche demontieren, wertvolles geistiges Eigentum von Microsoft verschenken und die Entwicklung der hauseigenen Software streng regulieren würde, meinte Cullinan weiter.

Microsoft erklärt in seiner letzten Vorlage für die Anhörung über das Strafmaß, dass die Regierung, anstatt der Korrektur der vielen Fehler in dem vorgeschlagenen endgültigen Urteil zuzustimmen und so den Schaden zu minimieren, den dies vielen Beteiligten der Computer-Industrie zufügen würde, nur wenige kosmetische Änderungen eingefügt habe. "Die Änderungen der Regierung an ihrem Antrag machen ihn schlimmer als Microsoft ursprünglich dachte, denn sie bestätigen, dass bestimmte Vorkehrungen extremer sind als sie auf den ersten Blick erscheinen mögen", erklärt der Konzern in seinem Papier. Die neuesten Vorschläge ignorierten schlicht und einfach essenzielle Probleme, die Microsoft benannt habe.

Microsoft betonte noch einmal, die Pläne der Regierung machten ein komplettes Re-Design von Windows 98 und Windows 2000 notwendig, um die Abhängigkeiten zwischen Betriebssystem und Anwendungen zu beseitigen. Außerdem griff der Konzern aus Redmond einige Argumente wieder auf, die er schon im Verfahren selbst vorgebracht hatte – damals allerdings ohne großen Erfolg. So behauptet Microsoft, die US-Regierung habe es nicht geschafft, den "Internet-Browser" zu definieren, der laut Urteil von Richter Jackson rechtswidrig in das Betriebssystem eingebunden wurde. Microsoft argumentiert, ein solcher Browser als separates Programm existiere gar nicht mehr; seine Funktionen seien integraler Bestandteil des Betriebssystems geworden. Der Regierungsplan übertrage aber nun der "Baby Bill", die nach der Zerschlagung von Microsoft für Office zuständig sein soll, die Rechte am Web-Browser, während die zu bildende Betriebssystem-Firma den Browser zwar benutzen, aber nicht mehr verändern dürfe. Nach der Microsoft-Argumentation könne die aus der Zerschlagung resultierende Windows-Firma dann aber gar nicht wissen, welchen Code sie verbessern dürfe und welchen nicht. "'Ich weiß es, wenn ich es sehe' liefert keine vernünftige Arbeitsgrundlage zur Festlegung zentraler Bestandteile des Urteils", meint Microsoft.

Microsoft befürchtet laut seiner letzten Einlassung, die Annahme des Regierungsantrags durch den Richter würde dazu führen, dass viele Beschäftigte den Konzern verlassen. Viele von ihnen seien Techniker, die an "Präzision bei der Ermittlung verifizierbarer Fakten" gewöhnt seien. Daher könnten die "vagen und mehrdeutigen" Festlegungen in dem Regierungsplan Mitarbeiter einfach zur Kündigung veranlassen.

Nach der Vorlage dieses letzten Kommentars von Microsoft zum Verfahren und zum Antrag der Kläger auf Zerschlagung des Konzerns kann Richter Thomas Penfield Jackson nun jederzeit über das Strafmaß entscheiden. Die meisten amerikanischen Beobachter des Prozesses rechnen damit, dass er seine Entscheidung am Freitag nach Börsenschluss bekannt geben wird – drückt Jackson allerdings weiterhin so aufs Tempo wie bisher, kann die erste Phase des Kartellverfahrens allerdings auch heute schon abgeschlossen werden. Danach geht es in die Berufung: Microsoft hat schon mehrfach betont, dass der Konzern den Fall bis zum obersten Gerichtshof der USA durchfechten werde. (jk)