Kaufhaus Österreich: Regierungs-Alternative zu Amazon ist gescheitert

Der Anlauf der Regierung gegen Amazon & Co endet mit einem Bauchfleck - doppelt so teuer wie zunächst verlautbart. Nun bestellt die Ministerin Webinare.

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Ladenfenster mit Schilder "FREE Admission" und "Sorry we're CLOSED"

Nach gut zwei Monaten fahren beim Kaufhaus Österreich die Rollbalken schon wieder nach unten.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.
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Das "Kaufhaus Österreich" wird schon wieder eingestellt. Das erst zum "Cyber Monday" online gebrachte staatliche Webverzeichnis sollte Verbraucher zu österreichischen Webshops leiten, damit sie weniger bei ausländischen Konzernen bestellen. Es folgte ein fulminanter Flop. Doch Digitalisierungsministerin Margarete Schramböck gibt nicht auf: Unter der Webadresse soll eine staatliche Bank Tutorien und Webinare für Unternehmer, die noch nicht online sind, anbieten.

Das hat die ÖVP-Ministerin am Dienstag bekanntgegeben. Seitens des Ministerium wird das Portal nachträglich als "Unterstützungsmaßnahme im Lockdown während der Weihnachtszeit" deklariert. Beim Launch war es noch als "qualitätsgesicherte Basisinfrastruktur für Online-Shops" vorgestellt worden.

Bereits am Montag war durchgesickert, dass das Kaufhaus Österreich zusperrt. "Der Hintergrund: Das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort darf keinen kommerziellen Marktplatz betreiben", berichtete der Börsianer Blog, "Die Wirtschaftskammer will es nicht betreiben." Die Kammer soll im Herbst erst in letzter Minute mit ins Boot geholt worden sein und 36.000 Euro in PR investiert haben. Die Unternehmervertretung war aber nie glücklich mit dem Kaufhaus Österreich.

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Denn Verbraucher konnten dort keine Produkte finden. Was die gebührenfrei gelisteten Unternehmen anbieten, musste man erst wieder auf deren Webseiten in Erfahrung bringen. Suchergebnisse gerieten zur dadaistischen Experimentalkunst. Nicht selten handelte es sich um Esoterik-Angebote, Amazon-Shops oder ausländische Konzerne, die kein einziges österreichisches Produkt feilbieten.

Spott und Kritik für das Kaufhaus Österreich seitens Experten wie Anwendern hätten kaum schlechter ausfallen können. Dennoch bereut Ministerin Schramböck ihr Projekt nicht: "Nein, das bereue ich nicht. Wenn man nichts tut, kann auch nichts kritisiert werden", sagte sie am Dienstag, "Wichtig ist gewesen, die Diskussion über die Notwendigkeit von E-Commerce für unsere Händler in Gang zu setzen.“

Ein Teil der Webseite hielt ein "Wissensangebot" für Unternehmer bereit, die in Online-Vertrieb einsteigen möchten. Darauf aufbauend soll nun die Staatsbank Austria Wirtschaftsservice (aws) eine neue Informationsplattform für online strebende Unternehmer erstellen. Das aws wickelt vorwiegend Garantien und Kredite für österreichische Unternehmen ab, subventioniert aber auch Digitalisierungsprojekte.

Dafür stellt Schramböck 15 Millionen Euro für die Förderung von E-Commerce-Projekten kleinerer und mittlerer Unternehmen in Aussicht. Das Kaufhaus Österreich war im Herbst vom staatlichen Bundesrechenzentrum Land-, forst- und wasserwirtschaftlichen Rechenzentrum programmiert worden. Damals bezifferte das Ministerium die Kosten mit 627.000 Euro. Gesamt liegen die Kosten aber bei mehr als eineinhalb Millionen Euro, wie der Österreichische Rundfunk (ORF) am Dienstag berichtet hat.

Auszug aus den Kosten des Kaufhaus Österreich laut Bericht des ORF vom Dienstag:
Technik vor dem Launch € 603.670,32
Umfrage, Webinare, Videoclips, Entwicklung der Marke etc. € 243.141,80
Technik nach dem Launch € 192.286,44
Reklame in Online- und Printmedien € 183.853,56
Reklame im Fernsehen € 36.870,29
Reklame in Sozialen Netzwerken € 216,33
Laufende monatliche Betriebskosten:
Technik € 2.642,50
Wartung € 2.566,00

Auf Transparenz legt das Digitalisierungsministerium offenbar wenig Wert. heise online hat Anfang Dezember nach dem österreichischen Auskunftspflichtgesetz Auskunft über das Pflichtenheft für das Kaufhaus Österreich begehrt. Das Ministerium hat die gesetzliche Frist zur Auskunftserteilung kommentarlos verstreichen lassen und inzwischen um zwei Wochen überzogen.

Dr. Margarete Schramböck im Jahr 2015. Damals hatte sie noch einen Gewerbeschein als Energetikerin.

(Bild: Franz Johann Morgenbesser CC BY SA 2.0)

"Und wer zahlt jetzt diesen kapitalen Bauchfleck?", fragte Sepp Schellhorn, Wirtschaftssprecher der liberalen Oppositionspartei NEOS am Dienstag, "Frau Minister, übernehmen Sie Verantwortung und treten Sie zurück. Digital liegt Ihnen einfach nicht." In anderen Ländern führten bereits weitaus geringere Steuergeldverschwendungen zu Rücktritten. Die rechte FPÖ möchte, dass Schramböck die Kosten privat trägt.

Die Sozialdemokraten prüfen sogar eine Ministeranklage vor dem Verfassungsgerichtshof gegen Schramböck. Allerdings müssten sie dafür eine Mehrheit im Nationalrat, dem Unterhaus des österreichischen Parlaments, finden. Oppositionsparteien fordern seit Jahren, dass bereits ein Drittel der Abgeordneten eine Ministeranklage einleiten kann. Doch ist die FPÖ 2019 bei der entscheidenden Abstimmung umgefallen, weshalb dieses Kontrollinstrument totes Recht geblieben ist.

Korrekturhinweis: Das Kaufhaus Österreich wurde nicht vom Bundesrechenzentrum sondern vom Land-, forst- und wasserwirtschaftlichen Rechenzentrum (LFRZ) der Republik Österreich programmiert.

(ds)