Kein Elektrosmog-Prozess gegen den Vatikan
Die Klage gegen die Elektrosmog-Belastung durch die Sendeanlage von Radio Vatikan in Santa Maria di Galeria nord-westlich von Rom ist von einem italienischen Gericht abgewiesen worden.
Die riesige Sendeanlage von Radio Vatikan in Santa Maria di Galeria nord-westlich von Rom ist schon aus mehreren Kilometern Entfernung nicht zu übersehen. Die größte der Antennen, mit denen der Sender des Kirchenstaates seine Programme in alle Welt ausstrahlt, hat die Form eines Kreuzes -- das für die Bewohner des nahe gelegenen Ortes Cesano tatsächlich Leiden und Tod bedeutet. Die wenigen Tausend Menschen, die hier wohnen, beklagen sich seit Jahren über die Belastung durch elektromagnetische Strahlen, die von den Radio-Vatikan-Sendern ausgeht. Die Krebsrate soll deutlich höher sein als im italienischen Durchschnitt. "Mein Mann hat Krebs, wir sind hier alle krank", beklagt sich die 61-jährige Giuseppina Palumbo.
Die Bemühungen, Radio Vatikan deshalb vor Gericht zu bringen, sind allerdings gegen Null gesunken. Der Boden, auf dem die Anlage stehe, sei exterritoriales vatikanisches Gebiet -- daher sei die italienische Justiz für diesen Fall nicht zuständig, befand jetzt ein Richter in Rom. "Meine Tochter ist zum zweiten Mal gestorben", reagierte eine verzweifelte Frau, als sie das am Dienstag ergangene Urteil vernahm. Die römische Staatsanwaltschaft will aber nicht aufgeben und plant eine Berufung gegen den umstrittenen Richterspruch.
Nach einem Bericht der Tageszeitung "Corriere della Sera" vom Mittwoch hatte der frühere Gemeindearzt von Cesano, Carlo Santi, bereits vor Jahren Alarm geschlagen: Bei 60 Prozent aller Todesfälle in dem Ort war Krebs die Todesursache. Seine Warnungen blieben ungehört. Santi ist mittlerweile selbst an Krebs gestorben.
Unzählige Male haben die italienischen Medien über die gespenstischen Effekte berichtet, die der so genannte Elektrosmog in Cesano auslösen soll. Die Sendungen von Radio Vatikan sind demnach immer wieder im Telefon oder in der Gegensprechanlage zu hören; selbst Kühlschränke sollen plötzlich die frohe Botschaft verkünden. Weihnachtsbäume leuchten auf wundersame Weise auf, ohne dass jemand die Lichter angemacht hätte.
Diese Berichte stießen beim Vatikan lange Zeit auf taube Ohren, bis sich der italienische Staat endlich der Sache annahm. Der streitbare grüne Umweltminister Alfonso Pecoraro Scanio drohte dem Kirchensender gar mit der Stromabschaltung, um eine Verringerung der Stärke der Kurzwellensender zu erzwingen. Die römische Staatsanwaltschaft leitete vor zwei Jahren Ermittlungen ein und klagte Radio Vatikan an.
Die Kirchenführung hatte unterdessen nach eigenen Angaben die elektromagnetischen Emissionen reduziert und angekündigt, mehrere Programme nicht mehr über Kurzwelle, sondern über Satellit auszustrahlen. Einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Elektrosmog und den Krebserkrankungen lehnte der Vatikan jedoch kategorisch als wissenschaftlich unbewiesen ab.
Gleich zu Prozessbeginn im Dezember hatten die Anwälte des Vatikans einen Einwand gegen die Zuständigkeit des italienischen Gerichtes eingebracht. Sie beriefen sich dabei auf die 1929 geschlossenen Staatsverträge zwischen dem Vatikan und Italien, die Prozesse gegen offizielle Vertreter des Kirchenstaates nicht zulassen. Richter Andrea Calabria hat dem stattgegeben und den Prozess vorzeitig beendet. Umweltschützer machten ihrem Unmut Luft. Vor dem Gerichtsgebäude entrollten sie ein Transparent: "Das Gesetz ist nicht für alle gleich". (Giovanni Facchini, dpa) / (wst)