Statt Palantir: Polizei soll eigene Recherche- und Analyseplattform schaffen

Die Bundesregierung dementiert, dem Zollkriminalamt den Einsatz der Palantir-Software Gotham verboten zu haben. Sie drängt aber auf Herstellerunabhängigkeit.

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(Bild: metamorworks / Shutterstock.com)

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Die Bundesregierung hat einen Bericht der "Welt" zumindest teilweise zurückgewiesen, wonach das Bundesinnenministerium (BMI) dem Bundeskriminalamt (BKA), der Bundespolizei und dem Zollkriminalamt (ZKA) die Einführung einer Software zur Big-Data-Analyse des umstrittenen US-Unternehmens Palantir untersagt habe. Gegenüber dem ZKA, das zur Generalzolldirektion gehört und damit dem Bundesfinanzministerium untersteht, sei keine einschlägige Weisung durch das BMI ergangen, schreibt die Exekutive in einer jetzt veröffentlichten Antwort auf Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Zu einem potenziellen Verbot fürs BKA und für die Bundespolizei äußert sich die Regierung nicht.

Allgemein erklärt das federführende BMI: Das Bayerische Landeskriminalamt habe 2022 Palantir in einem europaweiten Vergabeverfahren den Zuschlag für eine "verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform" (VeRA) erteilt. Aus dem geschlossenen Mantelrahmenvertrag seien die Länder und der Bund im Rahmen des sich bereits seit Jahren hinziehenden Programms Polizei 2020 (P20) "selbständig abrufberechtigt". Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) habe nach gründlicher Prüfung entschieden, dass das von ihr geleitete Ressort nicht von dieser Option Gebrauch mache und infolgedessen keine gemeinsame Plattform "Bundes-VeRA" einrichte. Damit dürfte das Thema fürs BKA und die Bundespolizei erledigt sein.

VeRA basiert – wie die Lösung HessenData und das immer kostspieliger werdende System zur datenbankübergreifenden Analyse und Auswertung (DAR) der Polizei Nordrhein-Westfalen – auf dem System Gotham von Palantir. Das Unternehmen steht als "Schlüsselfirma der Überwachungsindustrie" in der Kritik von Bürgerrechtlern. Das Besondere an VeRA ist, dass es externe, teils unstrukturierte Daten etwa auch aus sozialen Medien in großen Mengen einbeziehen und einen Abgleich ermöglichen können soll. Das Bundesverfassungsgericht erklärte Mitte Februar den Einsatz automatisierter Datenanalysen durch die Polizei in Hessen und Hamburg in bisheriger Form aber für verfassungswidrig. Das gilt prinzipiell etwa auch für HessenData.

Das BMI will nach eigenen Angaben prüfen, ob es im Lichte des Urteils nötig sein wird, eine Rechtsgrundlage für den Einsatz von Analysesoftware wie VeRA zur Strafverfolgung zu schaffen. Eine solche müsste sich "an den konkreten Funktionalitäten und Einsatzfeldern zukünftig geplanter Instrumente und Tools" orientieren. Man setze nach dem Nein zu einem Bundes-VeRA darauf, mit P20 eine "einheitliche Informationsarchitektur zu schaffen, in der unter anderem die Auswertungs- und Analysefähigkeiten in eine einheitliche polizeiliche Sachbearbeitung übergehen sollen". Ziel sei die herstellerunabhängige modulare Anwendungsbereitstellung und der Betrieb von polizeilichen Funktionalitäten, die eine hohe Automatisierung und Autonomie sowie die flexible Erweiterung und Anpassung ermöglichten. Die Regierung betont: "Bestimmte polizeifachliche Fähigkeiten" – auch die zur Big-Data-Analyse – "sollen in eigener digitaler Kompetenz entwickelt werden".

Der steigende Umfang und die unterschiedlichen Arten polizeilich relevanter Daten, "mit denen Strafverfolgungsbehörden im Zuge der generell zunehmenden Digitalisierung sämtlicher Lebensbereiche immer häufiger konfrontiert werden", stellen laut dem BMI "eine fortwährende Herausforderung insbesondere an die Analysekompetenz dar". Diese Aufgabe werde "insbesondere durch die regelmäßige Weiterentwicklung von Arbeitsabläufen und Prozessen, Organisationsanpassungen sowie durch die Entwicklung und den Ausbau angepasster Tools und Methoden bewältigt". Zum Erkennen von Tat- und Täterzusammenhängen wendeten Ermittlungsbehörden des Bundes entsprechende Werkzeuge und Verfahren bereits an. Eine erhöhte Gefährdung der Bevölkerung ohne Palantir-Software kann die Exekutive so nicht ausmachen.

(olb)