Keine Mail mit Bombendrohung: UN-Vorwürfe an Belarus nach Flugzeugumleitung

Im vergangenen Mai wurde eine Ryanair-Maschine in Minsk zur Landung gezwungen. Eine angebliche Bombendrohung sei nur ein Vorwand gewesen, urteilt nun die UN.

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(Bild: Renatas Repcinskas/Shutterstock.com)

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Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) der Vereinten Nationen hat Belarus nach einer Untersuchung der erzwungenen Landung eines Passagierflugzeugs vor einem Jahr einen rechtswidrigen Eingriff in den Luftverkehr vorgeworfen. An Bord hatte sich unter anderem der belarussische Regimekritiker Roman Protassewitsch befunden.

Die Untersuchungskommission der ICAO sieht keine Beweise dafür, dass eine angeblich per E-Mail eingegangene Bombendrohung der Hamas Grund für die außerplanmäßige Landung gewesen sein könnte. Stattdessen habe es sich bei der Mail wohl um einen Vorwand gehandelt, um die Maschine stoppen zu können. Die Untersuchungskommission stützt ihre Ergebnisse unter anderem auf die Befragung eines Fluglotsen.

Untersucht hatte das "Team zur Tatsachenfeststellung" (FFIT) der ICAO den Fall eines Flugzeugs, das im Mai 2021 unter Berufung auf eine Bombendrohung per E-Mail zur Landung in Minsk gezwungen worden war. Das FFIT hat Beweise dafür gefunden, dass eine Drohmail um kurz vor 13 Uhr Ortszeit nach Minsk gesendet wurde – Dutzende Minuten, nachdem die Behörden dort bereits aktiv geworden waren.

Behörden in Belarus hatten davon gesprochen, dass eine E-Mail mit der Bombendrohung um 12:25 Ortszeit eingegangen sei. Dafür hat die ICAO keine Beweise gefunden. Bei einigen anderen Flughäfen auf der Route seien zu dieser Zeit zwar bereits gleichlautende Drohungen eingegangen, in Minsk aber nicht. Das habe sich aus Daten ergeben, die Schweizer Strafverfolgungsbehörden von dem Mail-Provider Proton erhalten haben.

Während diese Erkenntnisse also bereits auf einen konstruierten Vorwand hindeuten, um das Flugzeug vom Himmel zu holen, hat ein Fluglotse wohl eine Bestätigung geliefert. Die belarussischen Behörden hätten behauptet, dass die damals für den Ryanair-Flug verantwortliche Person nicht aus dem Sommerurlaub zurückgekommen sei und nicht verfügbar gemacht werden könne. Dank US-Behörden habe sie aber ausfindig gemacht werden können. Die anonyme Person habe schließlich erklärt, dass an jenem Tag schon morgens eine ihm unbekannte Person in der Flugverkehrskontrolle in Minsk aufgetaucht sei – mutmaßlich vom Geheimdienst KGB. Diese Person habe Stunden vor dem Eingang entsprechender Mails vor einer Bombe auf dem Flug gewarnt. Auch angesichts dieser Aussage kommt die ICAO zum Schluss, dass die Bombendrohung "absichtlich falsch war" und die Sicherheit des Flugs gefährdet habe. Der Organisationsvertreter Russlands hat Widerspruch gegen dieses Fazit eingelegt.

Nach der Untersuchung des Flugzeugs am Flughafen von Minsk hatte sich herausgestellt, dass keine Bombe an Bord war. Mehr als 100 Menschen konnten ihren Flug nach Vilnius fortsetzen. An Bord war aber auch der belarussische Regimekritiker Roman Protassewitsch und seine Freundin Sofia Sapega, beide wurden festgenommen.

Spätere Filmaufnahmen von Protassewitsch legen nahe, dass er im Gefängnis misshandelt wurde. Inzwischen steht er angeblich nicht einmal mehr unter Hausarrest, er soll sogar geheiratet haben – aber nicht Sapega. Die wurde für die "Anstachelung von sozialem Hass" zu sechs Jahren Haft verurteilt. Es gibt Vermutungen, dass das Regime in Belarus mit dem unterschiedlich harten Vorgehen gegen Protassewitschs Glaubwürdigkeit untergraben will.

(mho)