Kino-Digitalisierung: Auch Cinestar entlässt Vorführer
Mit zunehmender Digitalisierung der deutschen Kinolandschaft ist Filmvorführer ein aussterbender Beruf – zumindest in den Multiplexen. Bei den drei größten deutschen Ketten ist das Ende absehbar.
In deutschen Kino-Multiplexen ist der Filmvorführer ein aussterbender Beruf: UCI hat sich von Projektionisten getrennt, bei Cinemaxx soll bis Ende des Jahres kein Vorführer mehr arbeiten. Jetzt werden auch beim deutschen Marktführer Cinestar im Zuge der Digitalisierung zahlreiche Filmvorführer entlassen. Nach Informationen von heise online haben in der vergangenen Woche die Vorführer mehrerer Cinestar-Kinos ihre Kündigung zu Ende Mai erhalten. "Wir haben Hinweise, dass auch andere Standorte betroffen sind", sagt Thomas Winzberg von der Gewerkschaft Verdi.
"Durch die Optimierung von Arbeitsabläufen und die Digitalisierung der Kinos ist es betriebsbedingt leider der Fall, dass Filmvorführer nicht mehr in dem Umfang wie zuvor eingesetzt werden können", erklärt Cinestar-Geschäftsführer Stephan Lehmann, will sich im Detail aber nicht zu den Maßnahmen äußern. Betroffen ist zum Beispiel das Haus in Ludwigshafen, das erst seit Kurzem komplett mit Digitalprojektoren ausgerüstet ist – hier haben alle Vorführer ihre Kündigung erhalten. Kein Einzelfall: "Die Geschäftsleitung hat bereits verlauten lassen, dass es zu Entlassungen in den Häusern kommen wird, die momentan bereits voll digitalisiert sind", sagt ein Betriebsratsvorsitzender.
Das betrifft gut die Hälfte der 68 Cinestar-Standorte. Nach Informationen von heise online wurden die Vorführer in den voll digitalisierten Multiplexen ohne Betriebsrat gekündigt und haben ein Standard-Abfindungsangebot erhalten. In anderen Häusern sollen die Betriebsräte am 8. Mai über die weiteren Pläne informiert werden. Dabei geht es um die Digitalisierung und wohl auch um die Arbeitsplätze der Vorführer in den bereits digitalisierten Häusern.
Assistenten als Vorführer
Das Unternehmen verweist auf die neuen Aufgaben, die mit der Digitaltechnik Einzug halten. "So liegt beispielsweise an digitalisierten Standorten der Fokus immer stärker auf Systemadministration und Netzwerktechnik", sagt Lehmann."In diese Richtung schulen wir auch unser Personal und passen die Stellen entsprechend an." Die großen Kino-Ketten verschieben die Aufgaben der Projektionisten auf andere Mitarbeiter. "Zahlreiche Multiplex-Kinos laufen bereits ohne Filmvorführer – meist problemlos", sagt der Gewerkschafter Winzberg. Bei Cinestar sollen zum Beispiel die Theaterleiter und ihre Assistenten mit der Digitaltechnik vertraut gemacht werden.
Die neue Projektionstechnik ist nicht so pflegebedürftig und personalintensiv wie alte 35-Millimeter-Maschinen. Früher haben Vorführer die Filme aus verschiedenen Akten mit Werbung und Trailern zusammengeklebt und auf den Projektionsteller gespult – und den Film auch wieder zusammengeflickt, wenn er mal reißen sollte. Die digitale Kinovorstellung wird am PC zusammengeklickt. Reißen kann auch nichts mehr. Doch selbst bei Digitalprojektion geht mal was schief. Oder die Software spielt das Programm nicht wie geplant ab. "Es gibt bei uns kaum eine Schicht, die reibungslos abläuft", sagt einer der gekündigten Cinestar-Vorführer.
Auch bei den zwei anderen großen Kinoketten ist der Vorführer ein Auslaufmodell. Die 23 Multiplexe von UCI sind bereits komplett digitalisiert, Cinemaxx rüstet seine 30 Häusern gerade um. Beide Unternehmen wollen mittelfristig auf Vorführer verzichten. Bei Cinemaxx soll bis Ende dieses Jahres kein Vorführer mehr arbeiten, in den UCI-Kinos bis Ende 2014. Das soll "so sozialverträglich wie möglich" passieren, betont UCI-Marketingchef Thomas Schülke. Bei Cinemaxx gibt es einen Sozialplan. Die Vorführer haben die Wahl: Entweder eine Abfindung oder ein anderer Job im Kino, etwa im Servicebereich – der nach einer Übergangszeit weniger gut bezahlt ist. "Wer will das schon?", fragt ein Vorführer.
Hedgefonds im Multiplex
Die Cinestar-Gruppe gehört dem australischen Mischkonzern AHL, der unter anderem noch Kinoketten in Australien und Neuseeland betreibt. Auch Cinemaxx und UCI sind in Händen ausländischer Investoren. Die Cinemaxx-Kinos gehören seit Ende 2012 zur britischen Kette Vue, die Multiplexe in Großbritannien, Irland, Portugal und Taiwan betreibt. Das Unternehmen gehört dem Investmentfonds Doughty Hanson. UCI gehört zur britischen Odeon-Gruppe, hinter der wiederum der Investmentfonds Terra Firma des umtriebigen Investors Guy Hands steht - dem zuletzt die Gläubigerbanken den Musikkonzern EMI entrissen und verkauft hatten.
Doch könnte der Kinormarkt hierzulande und weltweit vor weiteren Umwälzungen stehen: Einem Bericht des Wall Street Journal zufolge will das chinesische Immobilien-Konglomerat Dalian Wanda eine europäische Kinokette übernehmen. Die Chinesen verhandeln demnach mit Odeon/UCI und Vue. Während die Eigner von Vue offenbar nicht zum Verkauf bereit sind, will Terra Firma die Odeon-Gruppe zusammen mit anderen Beteiligungen noch in diesem Jahr abstoßen. Dalian Wanda betreibt in Asien nach eigenen Angaben 86 Multiplexe mit 730 Leinwänden und ist auf Expansionskurs. Im Mai 2012 hatten die Chinesen die US-Kette AMC Theatres mit 344 Kinos und fast 5000 Leinwänden für 2,6 Milliarden US-Dollar übernommen. (vbr)