Kino beim U-Bahnfahren

Kino entsteht im Kopf.

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Florian Rötzer

Kino entsteht im Kopf. Normalerweise werden dem Auge des Betrachters, der unbewegt in seinem Kino- oder Fernsehsessel sitzen bleibt, von der Maschine 24 Bilder in der Sekunde serviert, die das Gehirn zu einem einzigen Ereignisfluß zusammenbaut. Das Daumenkino macht diesen Konstruktionsprozeß bewußter, funktioniert aber nach dem gleichen Prinzip. Derselbe Animationseffekt stellt sich allerdings auch ein, wenn die Bilder stehen und der Betrachter sich an ihnen vorbeibewegt: Für die Bewegung sorgt im neuesten Berliner "Kellerkino" am dem 24. Oktober die U-Bahn zwischen den Stationen Zoologischer Garten und Hansaplatz im (westlichen) Zentrum der Hauptstadt. Die Standbilder, die sich für den Passagier im Vorbeifahren zu einem Film zusammenmontieren, werden von 900 Diaprojektoren auf die 545 Meter lange "Leinwand geworfen.

"Kinoqualität" sollen die von den U-Bahnpassagieren nur mit ihrem Fahrtticket bezahlten Filmvorführungen erreichen, wirbt die MetroCinevision GmbH, die der Wahlberliner Moser-Metius extra für das Projekt gegründet hat. Das geht nicht ohne erheblichen technischen Aufwand: "Keine U-Bahn fährt mit konstanter Geschwindigkeit", erläutert Matthias Ristow von der Potsdamer Firma Optronik, die den überdimensionierten "Filmprojektor" entwickelt hat. Abtastpunkte messen daher die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit eines Zuges und geben die Werte an den Zentralrechner der Projektionsanlage weiter. Vom Computergehirn werden die Einzelbildprojektoren dann synchron so gesteuert, daß in den Köpfen der U-Bahnfahrer der richtige Film abläuft und die Bilder 30 mal in der Sekunde wechseln. Die U-Bahn selbst muß dazu mindestens mit einer Geschwindigkeit von 65km/h an der Leinwand vorbeibrausen, weshalb nicht die gesamte Länge des Tunnels zwischen den beiden Stationen für die Schau "bespielt" werden kann. Immerhin reicht die bleibende Nutzfläche für 30-Sekünder - eine ideale Länge für Werbespots. Geplant ist bereits die Bespielung weiterer U-Bahnen, und auch für die Projektion auf Schallschutzwänden bei Hochgeschwindigkeitszügen wäre die Technik nach ihrem Erfinder geeignet.(Stefan Krempl)

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