Klimaerwärmung: Mögliches Ende der Menschheit zu wenig erforscht

Der Klimarat habe sich zu sehr auf die Erforschung einer moderaten Klimaerwärmung konzentriert, zu wenig auf Worst-Case-Szenarien, meint eine Forschungsgruppe.

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(Bild: Eli Mordechai/Shutterstock.com)

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Die globale Klimaerwärmung könnte schlimmstenfalls dazu führen, dass weite Teile der oder gar die gesamte Menschheit ausstirbt. Diese Szenarien seien bislang aber überhaupt nicht ausreichend erforscht, kritisiert ein Wissenschaftsteam jetzt.

Die Autoren und Autorinnen fordern den Klimarat IPCC dazu auf, sich den katastrophalsten möglichen Folgen zu widmen, um die Forschung anzuregen und die Öffentlichkeit zu informieren. Die Wege zum absoluten Desaster beschränkten sich nicht auf die direkten Folgen gestiegener Temperaturen, viele daraus folgende Entwicklungen könnten verheerende Folgen haben.

Ein Klimawandel habe bei jedem Massensterben eine Rolle gespielt, schreibt die Gruppe um Luke Kemp von der Universität Cambridge. Folgeerscheinungen der steigenden Temperaturen wie Finanzkrisen, Konflikte, Krankheitsausbrüche könnten wiederum andere Katastrophen auslösen und verhindern, dass die Menschheit sich von potenziell desaströsen Entwicklungen wie etwa einem Atomkrieg nicht mehr erholen kann. Die schlimmstmöglichen Szenarien führen demnach zum Tod von 10 Prozent der Menschheit bis zum Aussterben unserer Spezies. Solche katastrophalen Folgen einer Erderwärmung um 3 °C und mehr seien bislang viel zu wenig erforscht, kritisiert das Team.

Ihren Modellen zufolge könnten schon 2070 mehr als zwei Milliarden Menschen in Gebieten leben, in denen im jährlichen Mittel 29 °C oder mehr herrschen. Es handle sich nicht nur um einige der am dichtesten besiedelten Orte, sondern auch der politisch instabilsten. Bislang beschränke sich solch ein Klima auf die Sahara und die Küste des Persischen Golfs. In wenigen Jahrzehnten könnte ein derartiges Klima zwei Atommächte und sieben Labore betreffen, in denen die gefährlichsten Krankheitserreger der Welt erforscht werden. Außerdem könnten zu hohe Temperaturen zu Kriegen führen, wenn es zu Konflikten über Gegenmaßnahmen wie Geoengineering komme.

Für besonders gefährlich halten die Autoren und Autorinnen auch einmal mehr die sogenannten Kipppunkte. Damit werden Punkte bezeichnet, die ab einer gewissen Erwärmung irreversibel sind. Ist etwa das Eis an den Polen abgeschmolzen, ist es erst einmal weg. Besonders gefährlich sind solche Punkte, wenn sie weitere bedingen. In der jüngeren Vergangenheit habe sich der Weltklimarat zu sehr auf die Erforschung von Szenarien konzentriert, in denen die globalen Temperaturen weniger stark steigen, als befürchtet, kritisiert das Team noch.

Stattdessen sollte sich mehr auf die "apokalyptischen Reiter" der Klimakatastrophe konzentriert werden: Hunger, Unterernährung, Extremwetter, Konflikte und vektorübertragene Krankheiten. Immerhin sei zu erwarten, dass die einen Katastrophen andere auslösen und beeinflussen könnten. Nötig sei jetzt ein interdisziplinärer Ansatz, um zu verstehen, wie der Klimawandel Massenmorbidität und -sterblichkeit beim Menschen auslösen könne. Wenn man die Worst-Case-Szenarien nicht kenne, sei das bestenfalls naiv und schlimmstenfalls töricht. Ihre Arbeit ist in den Proceedings of the National Academy of Sciences erschienen.

(mho)