Klimarat: Deutschland wird Klimaziele wohl verfehlen

"Deutschland bei Klimazielen 2030 erstmals auf Kurs", schrieb die Bundesregierung im März. Dem widerspricht nun der Expertenrat für Klimafragen.

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Abgasfahne

Abgasfahne über dem Kraftwerk Bremen-Hastedt.

(Bild: heise online / anw)

Lesezeit: 3 Min.

Der Expertenrat für Klimafragen geht davon aus, dass die gesamten Treibhausgasemissionen in Deutschland bis 2030 sinken werden – allerdings vermutlich weniger stark als in den Projektionsdaten des Umweltbundesamts ermittelt. "Der Expertenrat hält die projizierten Emissionen in den Sektoren Energie, Gebäude und Verkehr sowie – mit Einschränkungen – auch in der Industrie für unterschätzt", sagte deren Vorsitzender Hans-Martin Henning. "In Summe können wir die von den Projektionsdaten 2024 ausgewiesene kumulierte Zielerreichung für die Jahre 2021 bis 2030 nicht bestätigen, sondern gehen im Gegenteil von einer Zielverfehlung aus."

Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) hatte aufgrund dieser Projektionsdaten im März dieses Jahres gemeint, Deutschland sei bei den Klimazielen 2030 erstmals auf Kurs. Die Treibhausgas-Projektionen 2024 wiesen bis 2030 einen Rückgang um knapp 64 Prozent im Vergleich zu 1990 aus, hieß es, damit werde das deutsche Klimaziel für 2030 greifbar. Im Projektionsbericht 2021 sei dagegen eine Minderung um 49 Prozent erwartet worden. "Dies unterstreicht, dass die inzwischen ergriffenen Maßnahmen Wirkung entfalten", schrieb das BMWK.

Der Expertenrat hält dem nun entgegen, dass in den Projektionsdaten aktuelle Entwicklungen nicht erfasst worden seien. Dazu zählten insbesondere die Kürzungen im Klima- und Transformationsfonds, aber auch veränderte Markterwartungen für Gaspreise und CO₂-Zertifikatspreise im EU-ETS. "Zudem tragen auch methodische Limitierungen zu möglichen Unterschätzungen bei", schreibt der Expertenrat.

Das novellierte Klimaschutzgesetz, das im April den Bundestag passierte und noch vom Bundespräsidenten ausgefertigt werden muss, sieht vor, dass der Expertenrat feststellt, ob die Jahresemissionsgesamtmengen in den Jahren 2021 bis einschließlich 2030 eingehalten werden. Dem sind die fünf Expertinnen und Experten nun nachgekommen.

In den Projektionsdaten des Umweltbundesamts werden keine Angaben zur Wahrscheinlichkeit des ausgewiesenen Emissionspfads gemacht, erläutert der Expertenrat. Daher habe er einen vermuteten Benchmark-Pfad herangezogen, der von allen möglichen zukünftig realisierten Emissionspfaden ebenso wahrscheinlich über- wie unterschritten wird. Dadurch ist der Expertenrat nach eigener Darstellung zu der Einschätzung gelangt, dass ein solcher Benchmark-Pfad oberhalb des Emissionspfads aus den Projektionsdaten 2024 liegen dürfte, "und zwar so deutlich, dass nicht von einer Zielerreichung ausgegangen werden sollte".

Durch die Novelle des Klimaschutzgesetzes entfiel die bisherige Verpflichtung zuständiger Bundesministerien, ein Sofortprogramm vorzulegen, wenn in einem Sektor gesetzliche Vorgaben zum CO₂-Ausstoß verfehlt werden. "Auch die projizierten und vom Expertenrat bestätigten Verfehlungen der Ziele unter der europäischen Lastenteilung ab dem Jahr 2024 und des Ziels von mindestens 65 Prozent Emissionsminderung bis zum Jahr 2030 verpflichten die Bundesregierung nicht zu weiterer klimapolitischer Aktivität", erläutert der Expertenrat. Die Regierung solle aber nicht darauf warten, dass die Ziele erneut verfehlt werden, sondern sofortige Maßnahmen prüfen, besonders in den Sektoren Gebäude und Verkehr, in denen die Klimaziele am weitesten überschritten werden.

(anw)