Klimawandel: Europa und USA fast allein für Klimakatastrophe verantwortlich
Ein britischer Forscher hat berechnet, wie viel CO2 alle Staaten ausstoßen dürften und wieviel aus ihnen kommen. Das Ergebnis ist eindeutiger als erwartet.
Die USA und Europa sind für mehr als 80 Prozent der übermäßigen CO2-Emissionen seit 1850 verantwortlich, während aus dem gesamten globalen Süden lediglich 8 Prozent der Emissionen stammen, die den CO2-Gehalt der Atmosphäre über den kritischen Wert von 350 ppm gehoben haben. Das hat der Wirtschaftsanthropologe Jason Hickel von der Universität London ausgerechnet und seine Ergebnisse jetzt im Wissenschaftsmagazin Lancet Planet Health veröffentlicht. Seine Arbeit zeige, dass die Hochlohn-Staaten in noch größerem Maß für den Klimawandel und die damit verbundenen Schäden verantwortlich seien, als bislang angenommen, schreibt er.
Atmosphäre als öffentliches Gut
Wie Hickel erläutert, liegt seiner Analyse [1] die Annahme zugrunde, dass die Erdatmosphäre ein gemeinsames Gut ist und jede Nation auf Basis ihrer Einwohnerzahl einen fairen Anteil daran haben sollte. Bevölkerungsreiche Länder dürften demnach mehr CO2 ausstoßen, alle zusammen aber nur so viel, dass insgesamt die 350 ppm (parts per million, also Millionstel) nicht überstiegen werden. Als das 1990 passiert sei, hätten die problematischen Folgen des Klimawandels [2] begonnen – Hickel spricht vom Klima-Zusammenbruch. Inzwischen werden über 400 ppm gemessen. Laut Hickel hätten maximal 830,1 Gigatonnen an CO2 ausgestoßen werden dürfen, zwischen 1850 und 2015 seien es aber 1516,2 Gigatonnen gewesen.
Der Forscher hat nun berechnet, wie viele dieser 1,5 Billionen Tonnen CO2 aus welchem Land stammen (1850 bis 1969) beziehungsweise auf den Konsum in einem Land zurückgehen (1970 bis 2015). Das konnte er ins Verhältnis setzen zu dem Budget, das jedem Staat auf Basis der Bevölkerungszahl zuzubilligen wäre, um insgesamt keinen Klima-Zusammenbruch auszulösen. Durch diesen weiteren Blick zurück seien historische Emissionen stärker eingeflossen und durch den Fokus auf den Konsum sei die Auslagerung der Produktion im Zuge der Globalisierung abgebildet. Insgesamt habe sich dadurch gezeigt, dass die reichsten Industrienationen einen noch stärkeren Anteil am Klimawandel haben, als bislang gedacht. China wiederum hatte sein Budget 2015 (noch) nicht ausgeschöpft.
Deutschland nur hinter Russland und den USA
Schlimmster CO2-Sünder sind der Analyse zufolge erwartungsgemäß die USA. Eigentlich dürfte das Land insgesamt nur 41,5 Gigatonnen CO2 ausstoßen, 2015 seien es aber schon 420,4 Gigatonnen gewesen. Das sei nicht nur das Zehnfache des Budgets, sondern auch 40 Prozent der übermäßigen CO2-Emissionen insgesamt. Auf dem zweiten Platz folgt Russland (105 statt 27 Gigatonnen) vor Deutschland [3]. Mit 91,3 statt 18,4 Gigatonnen CO2 haben die deutschen Staaten fast das fünffache ihres Budgets ausgestoßen und landen bezüglich der Gesamtmenge an zu viel ausgestoßenem CO2 sogar vor dem Mutterland der Industrialisierung Großbritannien.
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Ganz am anderen Ende der Liste landet Indien. Das Milliardenvolk dürfte demnach eigentlich 133,4 Gigatonnen CO2 ausstoßen, kommt aber lediglich auf 43,2 Gigatonnen. China hat demnach sogar ein Budget von 189 Gigatonnen CO2, bis 2015 kam das Reich der Mitte auf 159,6 Gigatonnen. Mit einem aktuellen Ausstoß von etwas mehr als 10 Gigatonnen pro Jahr – doppelt so viel wie die USA und fast dreimal so viel wie die Europäische Union – dürfte das Land inzwischen aber ebenfalls über seinem Budget liegen. Auch Bangladesch, Indonesien, Nigeria, Pakistan, Äthiopien und Vietnam haben ihr Budget demnach nicht ausgeschöpft.
Insgesamt kommt Hickel zu dem Ergebnis, dass die EU-Staaten (inklusive Großbritannien) für 29 Prozent des zu viel ausgestoßenen CO2 verantwortlich sind, der Rest Europas für weitere 13 Prozent. Zusammen mit dem Anteil der USA sind das 82 Prozent des übermäßigen CO2. Die anderen Staaten des globalen Nordens – also laut Hickel noch Kanada, Israel, Australien, Neuseeland und Japan – kommt auf 10 Prozent. Der gesamte Rest der Welt steckt demnach lediglich hinter 8 Prozent des zu viel ausgestoßenen CO2 und den dadurch ausgelösten Klima-Zusammenbruchs. Hickel meint, man könne von atmosphärischer Kolonisierung sprechen, denn die reichsten Staaten hätten die Atmosphäre weit stärker verschmutzt als ihnen zusteht, während der globale Süden von den Folgen überproportional betroffen ist und sein wird.
(mho [5])
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[1] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2542519620301960#bib13
[2] https://www.heise.de/news/Klimawandel-Eisschmelze-in-Groenland-und-Antarktis-viel-staerker-als-befuerchtet-4681764.html
[3] https://www.heise.de/news/Gutachten-Bundesregierung-verfehlt-CO2-Einsparziel-trotz-Klimapaket-4678017.html
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